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Ungeheuer

Ungeheuer

Titel: Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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den fehlenden Kopf natürlich.« Mark machte eine kurze Pause, und Lara konnte hören, wie er tief Luft holte. »Lara, schreib das bitte nirgends auf. Es ist streng vertraulich. Ich komme in Teufels Küche, wenn ich dir solche Informationen erzähle. Bis jetzt hat in der Soko noch niemand Verdacht geschöpft, aber sie überprüfen alles. Das kann zwar dauern, wenn jedoch irgendwann herauskommt, dass ich die undichte Stelle bin, kann ich meine Sachen packen. Alles, was du aufschreibst, könnte dem Falschen in die Hände fallen.«
    Sie nickte. Ja. Ja.
    »Der Kopf ist fachmännisch abgetrennt worden. Der Täter muss anatomische Kenntnisse besitzen. Das ist aber auch schon alles. Das Opfer war komplett angezogen, es war weder blond noch jung noch hübsch.« Mark holte tief Luft. »Wenn wir uns nun den mitgeschickten Brief vornehmen, so erklärt der Täter hier, dass der Verfasser sich irrt und er weder stets blonde, junge, hübsche Mädchen bevorzugt noch immer freitags tötet, obwohl er das Wort ›töten‹ nicht benutzt.« Vor Laras Augen tauchten Jos Fotos mit dem abgeschnittenen Text auf. Mark kannte anscheinend den kompletten Brief, aber auch Lara hatte aus den Bruchstücken auf die fehlenden Teile schließen können.
    »Im Gegenteil, er spricht von Kunst, einem ›Kunstobjekt‹. Und, um seine kruden Aussagen zu beweisen, schickt er den Kopf des Opfers mit. Wahrscheinlich hat der Täter Beate Zimmer nur aus diesem einen Grund getötet – um zu zeigen,
dass die abgedruckten Aussagen nicht der Wahrheit entsprechen.« Mark sprach noch immer leise und bestimmt, fast ein wenig emotionslos. »Der Täter möchte seine Wahrheit in der Zeitung lesen, nicht das, was andere über ihn denken oder wissen, denn er schließt mit den Worten: ›Wie Sie also sehen, liebster LB, ist nichts sicher. Denken Sie in Zukunft daran, wenn Sie wilde Vermutungen und unbewiesene Behauptungen aufstellen.‹«
    »Ich kann dir gar nicht sagen, wie abscheulich ich das alles finde. Es macht mich sprachlos. En Wahnsinniger, der Frauen abschlachtet, um ›Kunstobjekte‹ daraus zu machen!« Lara schüttete den Morgenkaffee in den Ausguss und nahm sich eine Schokomilch aus dem Kühlschrank. »Wie geht es denn jetzt weiter?«
    »Die Kripo ermittelt. Unsere Leute sind gut. Mach dir keine Sorgen. Der Täter kennt dich nicht. Er hält LB für einen Mann. Du bist nicht in Gefahr.«
    »Aber andere sind womöglich in Gefahr. Heute ist Freitag!« Lara zügelte ihre Lautstärke.
    »Bitte, Lara, es wird gewissenhaft und zügig gearbeitet. Es gibt eine Sonderkommission. Mehr darf ich dir dazu nicht sagen.«
    »Du meine Güte. Denkst du, dass er weitermordet?«
    »Ich glaube schon, auch wenn du lieber etwas anderes hören möchtest. Der Täter ist meiner Meinung nach vollkommen in seinem Wahn aufgegangen, sein Kunstwerk, was auch immer das sein mag, gewürdigt zu wissen. Solange das nicht geschieht, macht er weiter.«
    »Kann man denn nicht einen Artikel veröffentlichen, der ihn aufhält? Etwas schreiben, das seinen Vorstellungen entgegenkommt?«
    »Du würdest wahrscheinlich nicht den richtigen Ton treffen.
Zumal wir das besagte Kunstwerk ja auch noch gar nicht kennen.«
    »Jetzt nennst du es schon selbst so!«
    »Ich betrachte es mit seinen Augen, entschuldige. Für ihn ist es das. Um seine Motive zu verstehen, muss ich mich in sein Denken einfühlen.«
    Lara schüttelte den Kopf. »Ich mache mich dann auf den Weg, Mark.«
    »Gut. Wir telefonieren heute Abend wieder. Vielleicht gibt es dann schon etwas Neues zu vermelden.« Mark legte auf. Lara verscheuchte die Assoziationen zu seinem letzten Satz. »Neues« musste nicht unbedingt Fahndungserfolge meinen.
    En Gutes hatte das Ganze jedoch. Ihre Halluzinationen waren seit ein paar Tagen komplett verschwunden. Sie suchte nach ihrer Handtasche und überlegte dann auf dem Weg zur Tür, ob sie den CT-Termin am kommenden Montag absagen sollte.
    Draußen schien die Sonne. Lara blinzelte nach oben und musste niesen. Vielleicht war ihre Angst vor einem Hirntumor wirklich nur eine fixe Idee gewesen.
     
    Die Luft in den Redaktionsräumen roch muffig. Lara hob grüßend die Hand in die Runde, nahm sich vor, gleich in den Ticker-Nachrichten nach dem Fund von Beate Zimmers Leiche zu schauen, und ging zum Fenster, um es zu öffnen. Isabell saß mit halbem Hintern auf Toms Schreibtisch, die Beine kokett übereinandergeschlagen, die Fußspitzen am Rand der Sitzfläche abgestützt. Tom gestikulierte beim Reden und deutete ab

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