Ungeplant (German Edition)
aber wieder zu viel Zeit zum Denken. Rasch wasche ich mich ab und steige dann gleich wieder aus der Kabine. Jakob muss kurz hier drin gewesen sein, denn auf der Toilette liegen ein T-Shirt und eine Boxershorts.
Ich trockne mich ab und steige in die viel zu großen Kleidungsstücke. Mein nasses Kleid liegt noch unten, also muss ich mich damit arrangieren. Eine Bürste kann ich in seinem Bad nicht finden, als drehe ich die nassen Strähnen auf meinem Kopf zu einem losen Knoten zusammen und befestige sie mit dem Haargummi, dass ich noch an meinem Handgelenk getragen habe.
Leise öffne ich die Badezimmertür und sehe Jakob im Gästezimmer auf dem Bett sitzen. Er trägt nur eine Pyjamahose, die mit kleinen Segelschiffen bedruckt ist. Seine noch feuchten Haare stehen ihm wirr vom Kopf ab. Gerade sieht er mindestens 10 Jahre jünger aus, als er tatsächlich ist.
„Hey, Doktor Jakob.“
Das bringt ihn dazu, in meine Richtung zu sehen und mich frech anzulächeln.
„Ich mag es, wenn du das sagst. Bist du aufgewärmt?“
„Ja.“
„Aber?“
Ich habe wirklich versucht, neutral zu klingen, doch er spürt es trotzdem.
„Die Gedanken sind wieder da.“
Er legt den Kopf schief und scheint zu überlegen, was er mit mir machen soll.
„Magst du noch ein bisschen Lost gucken? Ich habe bestimmt auch noch Eiscreme im Gefrierschrank.“
Kopfschüttelnd setze ich mich neben ihn.
„Versteh mich nicht falsch, Melina. Ich genieße es, Zeit mir dir zu verbringen, aber warum bist du wirklich hier? Es ist offensichtlich, dass du Sven liebst. Soviel habe ich inzwischen verstanden. Aber warum zur Hölle bist du dann hier und nicht bei ihm?“
Zum ersten Mal nennt er ihn in meiner Gegenwart nicht Surferboy und das weiß ich wirklich sehr zu schätzen.
„Es ist kompliziert, Jakob. Wir kennen uns schon so lange. Sven war immer da und auf irgendeine Weise habe ich ihn immer geliebt. Wie soll ich denn bitte abgrenzen, wo Freundschaft aufhört und Partnerschaft anfängt?“
Seufzend lasse ich mich nach hinten fallen und strecke mich auf dem Bett aus. Jakob legt sich neben mich und betrachtet mein Profil.
„Spielt das den eine Rolle?“, fragt er nach einer Weile. „Wenn man es mal objektiv betrachtet, dann würde es den meisten Paaren gut tun, erst einmal Freunde zu werden, bevor ihre Sicht durch die rosarote Brille getrübt wird.“
Das klingt plausibel, aber es ist ja nicht unsere einzige Baustelle.
„Schreit so etwas nicht nach Midlife-Crisis in ein paar Jahren? Sven war mein Erster. Wir wissen alles voneinander. Es gibt nicht viel Neues zu entdecken.“
Jakob nimmt meine Hand und verschränkt unsere Finger miteinander. Es ist eine völlig unschuldige Geste, und ich habe das Gefühl, das spüren wir beide.
„All das klingt für mich nur nach Ausreden, Melina. Wenn der Mann dich liebt, und du ihn auch, dann sind das alles keine Gründe. Verliebtheit ist immer nur ein kurzzeitiger Zustand. Ihr habt eine Basis, wie sie die Wenigsten haben.“
Mit Jakobs Hand an meinen Brustkorb gedrückt, drehe ich mich zu ihm, um ihn besser ansehen zu können.
„Ich habe Angst“, gestehe ich. „Eine Scheißangst.“
„Wovor?“
Auch er wendet sich jetzt zu mir.
„Vor allem. Bevor ich Max zu mir genommen habe, war es so klar für mich, dass wir es endlich richtig miteinander versuchen. Aber jetzt sind mit einem Schlag alle Karten neu gemischt. Wie kann ich mir sicher sein, dass er für ein Leben mit Kind bereit ist? Außerdem, wie kann ich ihm, als meinem besten Freund, so etwas aufs Auge drücken? Sven ist viel zu gut, um Max in irgendeiner Weise abzulehnen. Jetzt mag er das auch noch okay finden. Aber was ist in fünf oder zehn Jahren? Wenn ihm bewusst wird, was er alles verpasst? Und das alles für ein Kind, welches noch nicht mal sein eigenes ist.“
Aufmerksam hört Jakob mir zu und scheint auch intensiv über meine Worte nachzudenken.
„Was bringt diese Zweifel auf, Melina? Ich versuche, dich zu verstehen. Hat er irgendetwas getan, dass dich zweifeln lässt?“
„Nein, gar nichts. Er hat sich überraschend schnell von dem Schock erholt und ab dem Zeitpunkt versucht, sich so viel wie möglich einzubringen. Aber ich traue diesem Frieden noch nicht.“
„Warum nicht? Du sagst selbst, dass ihr euch schon so lange und gut kennt. Wenn jemand die Situation einschätzen kann, dann du.“
Momentan habe ich ein völliges Unvermögen, irgendetwas richtig einzuschätzen. Wäre ich dazu in der Lage, dann würde ich jetzt nicht
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