Ungeplant (German Edition)
steht total neben sich und es wird wirklich höchste Zeit, dass wir irgendetwas aus dem Krankenhaus hören.
Um seine völlige Aufmerksamkeit zu bekommen, nehme ich sein Gesicht in meine Hände, doch bevor ich meine Dankbarkeit ausdrücken kann, klingelt sein Handy zwischen uns.
Mit zitternden Fingern nimmt er das Gespräch an, doch er kommt gar nicht dazu, etwas zu sagen, weil direkt ein Schluchzen aus dem Hörer klingt. Das ist nicht gut, gar nicht gut.
Wieder füllen sich Svens Augen mit Tränen. Ich kann nicht verstehen, was gesprochen wird, nur dass zuerst Marianne dran ist, Thomas aber schnell das Gespräch übernimmt. Von Sven kommen nur knappe Kommentare. Es ist nicht nötig, dass er die Worte ausspricht.
Schon nach wenigen Momenten beendet er das Gespräch wieder. Sein Anblick ist erschreckend, denn seine Augen weinen, doch seine Mimik ist völlig ausdruckslos.
„Was ist passiert?“
Er schüttelt nur den Kopf, weil er selbst erst verarbeitet, was er gerade gehört hat. Mit leerem Blick starrt er einfach in den Raum.
„Red mit mir!“
Es ist beunruhigend, wenn er so abdriftet.
„Es gab Komplikationen. Eine Embolie. Sie haben die ganze Zeit versucht, ihn wieder zu stabilisieren, doch sie konnten nichts mehr tun.“
Das ist nicht richtig. Nicht Peter.
Sven lässt das Telefon einfach neben sich fallen und zieht mich in eine feste Umarmung. Er weint so heftig an meiner Schulter und lockert seinen Griff nicht einen Millimeter, doch das ist es wohl, was wir beide brauchen, damit wir nicht den Halt verlieren.
26.
In den letzten 24 Stunden habe ich dabei zugesehen, wie eine Familie um einen geliebten Menschen trauert. Für mich ist das irritierend, weil bei Kims Tod vor wenigen Monaten alles so anders war. Diese Familie scheint es noch näher zusammenzubringen, wohingegen es meine Eltern und mich nur weiter voneinander entfernt hat.
Jedem in diesem Haus bricht es das Herz, doch Marianne hat es natürlich am Härtesten getroffen. Sie weigert sich, zu essen oder das Gästezimmer zu verlassen.
Sven hat seit gestern nur das Nötigste gesprochen. Er ist schon fast apathisch, wird aber panisch, wenn ich nur ansatzweise Anstalten mache, nach Hause gehen zu wollen. Max ist sein Anker.
Seit gestern habe ich meinen Sohn nicht mehr selbst versorgen dürfen. Auch meine Nähe sucht Sven bei jeder Gelegenheit und er will um keinen Preis, dass ich ihn alleine lasse. Ich musste Jenny bitten, mir ein paar Sachen aus meiner Wohnung zu holen, weil er mich nicht gehen lassen wollte. So sehr ich auch versuche, für ihn stark zu sein, steigen mir doch immer wieder die Tränen in die Augen.
Jana und ich stehen in der Küche und kümmern uns um das Abendessen, obwohl vermutlich niemand Appetit haben wird. Die Zwillinge sitzen hinter uns am Tisch und malen. Sie sind sehr traurig, dass ihr Opa gestorben ist, aber am meisten machen sie sich Sorgen um ihre Oma. Vielleicht haben sie auch noch nicht richtig realisiert, dass Peter nicht mehr wiederkommt.
„Kommst du zurecht?“, flüstere ich Jana zu, als sie neben mir Geschirr aus dem Schrank holt.
Sie zuckt mit den Schultern. Als ich zur Seite schaue, sehe ich bei ihr schon wieder die Tränen fließen. Nur kurz streichele ich ihr über den Arm, um Lara und Tim nicht zu alarmieren.
Sie bleibt solange mit dem Blick zur Küche gewandt stehen, bis sie sich wieder gefangen hat. Dann dreht sie sich zu mir und legt eine Hand auf ihren Unterbauch. Mit der anderen Hand legt sie einen Finger auf ihre Lippen und deutet mit dem Kopf zu ihren Kindern. Ich brauche einen Moment, um zu verstehen, was sie mir gerade mitgeteilt hat, doch dann klickt es auch bei mir.
„Wirklich?“, wispere ich. Sie nimmt ihre Hand beiseite, und da sehe ich die kaum vorhandene Kugel. Trotz der im Raum hängenden Trauer, die uns alle niederdrückt, kann ich mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Wir drehen uns wieder zur Küche und beschäftigen uns damit, Gemüse zu würfeln.
„Es war nicht geplant“, flüstert Jana. „Dieses Mal ist es Gott sei Dank nur eins.“
„Wie weit?“
„Vierter Monat. Wir wollten es eigentlich am Wochenende offiziell verkünden.“
Es tut mir leid für die Beiden, dass die gute Nachricht von diesem Ereignis überschattet wird.
„Ich glaube, Thomas sagt es gerade Sven.“
Auch Jana kann jetzt ein Lächeln nicht unterdrücken.
„Er wird sich sehr freuen. Sven ist ein guter Onkel.“
„Sven wäre auch ein guter Vater.“
Er ist auf dem allerbesten Weg
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