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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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komplizierteste. Wie hat er Mateusz Kohutek und Elzbieta Kopanska gefunden?«
    »Wie zum Henker kann er anderseits wissen, dass Juha-Pekka Niemelä seine Frau misshandelt?«, sagte Söderstedt.
    »Sie geht nie aus dem Haus. Sie kann nicht mal Schwedisch.«
    »Ganz zu schweigen von Nedim und Naska Rezazi«, sagte Sara Svenhagen. »Das läuft ja nicht in der Öffentlichkeit ab.«
    »Die Bilder«, sagte Lena Lindberg. »Ich fand sie ziemlich professionell. Ist er Fotograf?«
    »Oder arbeitet er in Runströms Zeitung oder im Krankenhaus Huddinge oder bei einer Reinigungsfirma in Tensta?«, sagte Kerstin Holm. »Ich glaube das nicht. Die Motive sind nicht persönlich. Er hat die Opfer mit einer ganz bestimmten Absicht gesucht. Aber welcher?«
    »Diese Menschen sagen etwas über unsere Zeit«, sagte Arto Söderstedt. »Über eine Art von grundlegendem Werteverlust. Es ist eine Warnung. So wird die Gesellschaft werden. Wir töten Menschen und verkaufen ihre Leichen. Wir werden reich damit, dass wir die unteren Schichten im Fernsehen erniedrigen. Wir ermorden unsere Schwestern, weil sie uns nicht gehorchen. Wir sperren unsere Frauen ein und misshandeln sie. Die Dämme sind gebrochen. Alles ist möglich. Die Moral ist tot. Es ist eine grenzenlose Welt. Jeder kann alles tun. Gewissen war etwas, was man während einer kurzen historischen Zeitspanne hatte. Eine Nebensache der Geschichte.«
    »Dann ist unser Mörder also ein Idealist?«, sagte Kerstin Holm.
    »Ich frage mich, ob das nicht tatsächlich der Fall ist«, nickte Arto Söderstedt.
    »Ist es nicht noch spezifischer?«, sagte Sara Svenhagen.
    »Lera hat da etwas gesagt. Über die Sprache. Kannst du dich daran erinnern, Lena?«
    Lena Lindberg nickte und sagte: »›Die Wörter als Maskierung. Als ob er sich unterhielte.‹ Wir können nicht mehr miteinander reden. Wir hören nicht aufeinander. Wir hören nur das, was wir hören wollen, was wir beschlossen haben zu hören. Wir sind nicht in der Lage, das Persönliche in der Sprache zu erkennen.«
    »Und deshalb«, sagte Kerstin, »brauchen wir eine andere Sprache. Damit wir lernen zuzuhören. Wir müssen wieder von vorn anfangen. Die Sprache – das, was uns Menschen vereint – wird stattdessen benutzt, um uns voneinander zu entfernen. Wir müssen sie neu lernen.«
    »From scratch«, sagte Sara.
    »Und wenn das so ist, haben wir erst den Anfang gesehen«, sagte Arto. »Er hat noch mehr in der Hinterhand. Etwas, was uns wirklich die Augen öffnen soll.«
    »›Denkt an Joy Rahman‹«, sagte Kerstin. »Bis jetzt haben wir vier Joy Rahmans. Zum Glück haben sie nicht acht Jahre im Knast gesessen. Aber wir haben vier Unschuldige festgenommen. Die Presse wird sich darin suhlen. Und uns die Schuld zuschieben. Der A-Gruppe. Und trotzdem glaubst du, dass noch mehr kommt, Arto?«
    »Ich weiß nicht. Ich stimme dir darin zu, dass es auch jetzt schon ziemlich heftig ist. Aber es besteht die Gefahr, dass der ganze subtile Plan im Sand verläuft. Er braucht einen Punkt. Einen großen, fetten Schlusspunkt. Dann können wir wieder von vorn anfangen. Dann können wir anfangen zu sprechen. Miteinander, nicht aneinander vorbei.«
    »Und was ist der Punkt?«
    »Ich fürchte, das sind wir«, sagte Arto Söderstedt.
    Ein Moment Schweigen in dem gesprächigen Saal.
    »Warum ausgerechnet uns fotografieren?«, fuhr er fort.
    »Warum unsere Familien fotografieren? Ich habe fünf Kinder. Sie sind täglich ohne Schutz an allen möglichen Stellen in der Stadt unterwegs. Er kann sich jedes von ihnen jederzeit greifen. Der Gedanke kommt mir erst jetzt, und ich habe kein gutes Gefühl dabei.«
    »Bisher hat er sich ausschließlich Schuldige gegriffen«, sagte Kerstin. »Und selbst wenn er richtig hinlangt, wie ein Knochenstück aus dem Schädel zu sägen, gibt er dem Opfer eine ordentliche Betäubung. Wie gesagt, wir haben es nicht mit einem Wahnsinnigen zu tun. Es gibt keinen Anlass, in Panik zu geraten.«
    Dennoch sah sie ihren Sohn. Sie sah Anders, und sie sah die gebrechliche alte Frau Åkesson, und sie sah die idyllische Tomtebogata und die schwachen alten Haustüren und die leicht zu überwindenden Türcodes. Und sie sah die Ausflüge zu Spielplätzen und Schwimmhallen.
    »Und gleichzeitig wird Jon Anderson in Polen niedergestochen«, sagte Gunnar Nyberg, obwohl es ihm nicht ganz gelang, das Bild seiner beiden Enkelsöhne in Östhammar von der Netzhaut zu verbannen.
    »Was?«, sagte Viggo Norlander, der an Engel dachte, die mit Rasseln

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