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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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eine neue Wendung genommen«, sagte sie. »Alle unsere Festgenommenen haben sich als unschuldig erwiesen. Ein glänzender Auftakt für mich als Chefin. Es wird Beschwerden hageln, dass es sich gewaschen hat. Es ist nämlich ein und derselbe Mörder. Er hat es mir außerdem rechtzeitig angekündigt, aber ich habe nicht zugehört. Per Fax. Von hier aus.«
    »Von hier aus?«, rief Hjelm. »Aber verdammte Kiste, ich bin ja aus genau dem gleichen Grund hier.«
    »Könnte es sein, dass wir ein bisschen miteinander reden sollten?«
    Hjelm sah ein wenig geknickt aus. Er kratzte sich heftig am Kopf und sagte: »Können wir irgendwohin gehen?«
    »Zu mir nach Hause vielleicht?«, sagte Kerstin. »Ich wohne doch gleich hier oben.«
    »Ja, verflixt, das stimmt. Daran habe ich nicht gedacht.«
    Dann kehrten sie zu den beiden Weißhemden zurück, von denen einer wesentlich ungeduldiger war als der andere.
    »Sehen Sie nicht, dass wir den Laden voller Kunden haben?«, sagte er und machte eine Handbewegung zu dem Gedränge im vorderen Teil des Ladens.
    »Wir fangen noch einmal von vorn an«, sagte Hjelm und ignorierte die Bemerkung. »Das Fax wurde also letzten Montag um 12 Uhr 26 geschickt. Wir waren so weit gekommen, dass Sie sagten, Sie hätten zu dem Zeitpunkt gearbeitet, Sie erinnerten sich aber an keine bestimmte Person. Jetzt haben wir noch ein paar Zeitpunkte, die vielleicht Ihre Erinnerung auffrischen können. Kerstin?«
    Kerstin holte einen zerknitterten selbsthaftenden gelben Merkzettel aus der Jackentasche und stutzte, als sie die Zeiten herunterrattern wollte.
    »Unglaublich. Montag, 12 Uhr 23.«
    »Drei Minuten vorher«, sagte Hjelm. »Nicht zu fassen.«
    »Dazu Dienstag, 9 Uhr 05, und Mittwoch, 10 Uhr 44.«
    »Fünf nach neun, daran müssten Sie sich erinnern«, sagte Hjelm. »Vorgestern, unmittelbar nachdem Sie geöffnet hatten. Oder gestern um Viertel vor elf. In beiden Fällen kein Mittagspausenandrang.«
    Der Ungeduldige sagte: »Das können Sie wirklich nicht von uns verlangen. Das Faxgerät geht automatisch. Um die Kunden, die da stehen, kümmern wir uns nicht. Das fällt nicht in unseren Aufgabenbereich. Die existieren nicht für uns.«
    Der Zurückhaltendere sagte: »Vielleicht vorgestern um fünf nach neun. Ich glaube, dass ich da hingeguckt habe.
    Ich weiß nicht mehr richtig, wie er aussah. Ziemlich klein. Blond, glaube ich. Jeans.«
    »Haben Sie ihn vorher schon einmal gesehen? Oder später?«
    Der Weißhemdige biss sich auf die Unterlippe und schien nachzudenken. »Ich weiß nicht. Vielleicht.«
    »Alter?«
    »Jesses. Ich muss mich konzentrieren.«
    »Tun Sie das eine halbe Stunde lang«, sagte Hjelm. »Dann kommen wir wieder. Gehen Sie nicht aus dem Laden, bevor Sie noch einmal mit uns gesprochen haben.«
    Sie gingen. Es waren nur zwanzig Schritte bis zu der wie immer nach Urin stinkenden Treppe, die zur Regeringsgata hinaufführte. Neben den Zwillingstürmen. Keiner von ihnen sagte etwas, bevor sie in Kerstin Holms Wohnung waren. Als sie die Schlüssel hervorsuchte, fiel ihr ein, wie grässlich unaufgeräumt es drinnen war, und es war ihr peinlich. Aber jetzt war es zu spät, die Einladung zurückzunehmen. Sie traten ein. Hjelm manövrierte sich zwischen Kleidungsstücken und Spielsachen und Abfalltüten hindurch. Er hielt inne und hob etwas vom Fußboden auf. Hielt es in die Höhe und studierte es. Eine Männersocke.
    »Nun sieh mal«, sagte er. »Die Kinder wachsen schneller, als man glaubt.«
    »Hör schon auf«, sagte sie und riss ihm den Strumpf aus der Hand. Ihr Herz benahm sich albern und schlug wie wild.
    Sie gingen in die Küche.
    »Kaffee?«, fragte sie.
    »Wenn es schnell geht«, sagte er und setzte sich an den Küchentisch.
    Es gab Dinge, über die sie nie gesprochen hatten. Vor allem über eine große Schultertasche mit Geldscheinen, die nach Plumpsklo stank. Er wusste, dass sie sie zurückgegeben hatte, wenn auch erst drei Tage später. Was in diesen drei Tagen geschehen war, wusste er nicht. Und jetzt arbeitete er in der Internabteilung. Jetzt wollte er es nicht mehr wissen.
    Sie setzte einen schönen alten Topf mit Wasser auf, heftete den Blick auf ihn und sagte: »Jetzt mal im Ernst: In welcher Sache ermittelst du eigentlich? Wie konntest du diesen Bengt Eriksson so schnell herauspicken? Noch dazu in Polen?«
    »Ist er gefasst?«
    »Er wird gejagt.«
    Paul Hjelm nickte und starrte aus dem Küchenfenster. Wie um ihrem Blick nicht begegnen zu müssen. »Ich wollte dir das hier ersparen«,

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