Ungeschoren
die lärmenden Möbelpacker dem Mittsommeridyll den Garaus machten. Er saß dort, während sie seine Sachen herausschleppten, die allesamt in einen Müllcontainer geworfen werden sollten. Er saß dort, als sie fluchend und verkatert das Klavier hinauswuchteten; durchs Küchenfenster sah er den Papageien – zweifellos der Einzige, der es vermissen würde – erstaunt hinterherschauen. Er saß da, während die Familie, ein Mitglied nach dem anderen, auftauchte, um ein wenig halbherzig aufzupassen, dass nicht die eigenen Sachen im selben Aufwasch beseitigt wurden. Und er saß noch da, als die Türen des Möbelwagens ein letztes Mal zugeklappt wurden und das Gefährt ein wenig ungestüm zwischen den Rasenflächen davonzischte.
Paul Hjelm hatte dort nichts zu suchen.
Danne war da. Er hatte dort etwas zu suchen. Paul Hjelm spürte einen Stich in seinem schon durchstochenen Herzen, als er sah, wie sein Sohn die CD-Sammlung kontrollierte, um sicher zu sein, dass der Vater keine CDs mitgehen ließ, die ihm nicht gehörten. Danne, der schon ausgezogen war, in eine Studentenwohnung am Roslagstull, die ihm nach zweijähriger Wartezeit zugeteilt worden war, während er wechselnde Fächer an der Uni studierte, immer noch darauf wartend, Polizist zu werden. Dummkopf. Auch Danne war hergekommen, wahrscheinlich als Stütze für die Mutter in einer schweren Zeit.
Und ich selbst? dachte er bitter. Brauche ich keine Stütze?
Sein Leben war mittlerweile eine einzige endlose Trennung. Hatte er nicht ein noch größeres Bedürfnis nach Stütze in einer schweren Zeit?
Es war seine eigene Schuld, würden sie antworten – und er müsste ihnen recht geben. Du hast all diese Trennungen selbst herbeigeführt. Du hast dich entschieden, die A-Gruppe zu verlassen, um Chef der Stockholmsektion der Abteilung für Interne Ermittlungen zu werden. Ein Karrieresprung. Du selbst warst es, der sich entschieden hat, Mama zu verlassen und in die Stadt zu ziehen. Du hast nur auf diesen Augenblick gewartet.
Du hast nie richtig in dieses Reihenhausviertel gepasst.
Aber stimmte das wirklich? Wer von ihnen wollte sich scheiden lassen? Wollte sich überhaupt jemand scheiden lassen?
Man kann immer weiterkämpfen, dachte er, während er seiner Tochter Tova zusah, wie sie eine Tüte mit Schmutzwäsche nach der anderen durchwühlte. Tova würde noch zwei Jahre zu Hause wohnen. Hätten sie nicht bis dahin warten können? Er betrachtete sein jüngstes Kind mit Sorge. Erwachsen oder nicht erwachsen, das war hier die Frage. Genau an der Grenze. Was würde eine Scheidung gerade jetzt, in diesem Übergangsstadium, bei ihr auslösen?
Es gab keine Antworten. Vielleicht würde jahrelange Therapie erforderlich sein, um der Folgen Herr zu werden. Vielleicht war es nur gut für sie.
Vielleicht war die lebenslange Paarbeziehung ganz einfach nicht möglich, dachte er bitter und sah Cilla aus dem Haus treten und stehen bleiben. Sie stellte sich in den mäßig gepflegten kleinen Garten. Sie stand nur einfach da und sah den Möbelpackern zu, die etwas bisher ziemlich Abstraktes in etwas sehr Konkretes verwandelten. Eine konkrete Abwesenheit. Sie war viel zu weit weg, als dass er ihren Gesichtsausdruck hätte erkennen können, aber Erleichterung war es nicht, so viel meinte er sehen zu können. Eher eine Art recht kühl zur Kenntnis genommener Schmerz.
Jaha, so wird es sich also anfühlen.
Sie war so schön mit ihrem blonden zerzausten Haar, das von der milden Mittsommersonne beleuchtet wurde, eine kleine, magere Engelsgestalt in seinem – seinem – riesigen alten Morgenmantel. Vermutlich hatte sie Nachtschicht gehabt.
Cilla.
Jetzt brauchte er jedenfalls nicht mehr auf ihre komplizierten Arbeitszeiten Rücksicht zu nehmen, dachte er und war dem Weinen nahe. Dann dachte er: Nun wirf ihn schon fort! Wirf den Morgenmantel in einen Umzugskarton, und steh nackt da. Er gehört mir. Du stehst da und siehst so unschuldig aus, während du höchst aktiv meinen Morgenmantel stiehlst.
War dies hier wirklich richtig? dachte er, als sie sich umwandte und sich langsam wieder ins Reihenhaus zurückzog. War es wirklich notwendig gewesen? Er und Cilla, die gemeinsam so viel Schweres durchlebt und neu angefangen und sich wieder zusammengerauft hatten und wieder aufs richtige Gleis gekommen waren. Und dann dieser Kollaps. Dieser Schiffbruch. Warum?
Macht.
Als die Türen des Möbelwagens ein letztes Mal zugeklappt wurden und das Gefährt ein wenig ungestüm zwischen den Rasenflächen
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