Ungeschoren
zählten zu Schwedens hervorragendsten Kriminalisten.
Das alte Gespann Hjelm und Holm, die einst auch ein kurzes, aber intensives Verhältnis gehabt hatten, war nur noch Erinnerung. Manchmal drohte das Gefühl des Verlusts sie zu überwältigen.
Sie gab sich einen Ruck und fuhr fort in ihren Überlegungen.
Zwar hatte Jorge Erziehungsurlaub und würde zurückkommen, doch gerade jetzt kam es ihr so vor, als wären alle Spitzenleute fort. Bis auf Arto Söderstedt, der, wie sie aus der Perspektive der Chefin zugeben musste, ein ganz außerordentlicher Ermittler war. Er würde eine besonders schwere Last zu tragen haben, und das wusste er. Sie hatte ein langes Gespräch mit ihm geführt. Ein erstes Gespräch als Chefin. Wahrscheinlich imitierte sein ironisches Lächeln ihr eigenes.
Es war Söderstedt gewesen, der die Initiative für das gestrige Überraschungsfest zu Ehren von Hultin ergriffen hatte. Wer sonst würde auf den Gedanken kommen, einen provisorischen Festsaal im dritten Stock des Polizeipräsidiums mit einem Spruchband mit dem in knallroten Buchstaben geschriebenen Text ›Endlich! Hultin geht in Pension!‹ zu schmücken?
Es war auch ein sehr gutes Gefühl, Sara wieder in der Gruppe zu haben. Sara schritt von Klarheit zu Klarheit. Nicht zuletzt in ihrem großen Fall, der auf so unheimliche Art und Weise auch sie selbst, Kerstin Holm, einbezogen hatte.
›Auch viele Wasser löschen die Liebe nicht.‹
Sara Svenhagen war dreißig, hatte aber schon eine lange und aufreibende Dienstzeit bei der Abteilung für Kinderpornografie bei der Reichskriminalpolizei hinter sich. Vor einigen Jahren hatten sich ihre Wege mit denen der A-Gruppe gekreuzt, und nicht genug damit, dass sie eine von ihnen wurde, sie heiratete auch noch den berüchtigtsten Junggesellen der Gruppe, den einen Kopf kleineren Jorge Chavez, und hatte jetzt ein Kind mit ihm. Im Mai war sie aus ihrem Mutterschaftsurlaub für die kleine Isabel zurückgekommen. Es war unschätzbar.
Aus der Chefperspektive konnte sie auch zugeben, dass der Ersatz für Paul Hjelm nicht unbedingt ein Volltreffer war. Hjelm zu ersetzen, war ohnehin kaum vorstellbar, aber Jon Anderson war problematisch.
Es störte sie, dass sie nicht an der Besetzung der Stelle beteiligt worden war. Hultin musste schon damals gewusst haben, dass sie in absehbarer Zeit das Ruder übernehmen würde, und da hätte sie wohl damit befasst werden sollen. Stattdessen kam es als Überraschung. Ein dürrer und sozial leicht behinderter Fünfundzwanzigjähriger ohne größere Meriten, der aus Uppsala rekrutiert worden war. Und dabei hatte Hultin früher bei der Rekrutierung für die A-Gruppe ein so großartiges Fingerspitzengefühl bewiesen.
Sie hatten in der Übergangsphase ein langes Gespräch über dieses Thema geführt, hier in diesem Zimmer. Sie hatten auf Hultins inzwischen abtransportiertem, aufgrund seines Widerwillens gegen vertrauliche Gespräche so gut wie unbenutztem Sofa gesessen. Sie erinnerte sich an fast jedes Wort.
»Ich weiß, Kerstin«, hatte Hultin gesagt und die kleine Eulenbrille in die Stirn geschoben. Und weil bei diesem Manöver eine ansehnliche Strecke zu bewältigen war, dauerte es eine gute Weile.
»Deine späte Einsicht soll mich also trösten?«, hatte Kerstin Holm grimmig entgegnet. »Willst du das sagen?«
»In gewisser Weise«, sagte Hultin unparteiisch. »Aber wenn es sich um späte Einsicht handelt, dann ausschließlich in Bezug darauf, dass du an der Entscheidung hättest beteiligt werden müssen. Aber das war im November. Ich war nicht sicher, ob Paul die Stelle bei der Internabteilung bekommen würde. Und noch weniger sicher, dass du meine Stelle bekämst. Da hätten alle damit befasst werden müssen, und ganz so demokratisch bin ich nun doch nicht. Ist die Polizei nicht. Warum wird er übrigens ›Yes‹ genannt? Was ist das für ein Quatsch?«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte Kerstin Holm, die mit ihren Gedanken woanders war. »Aber ich kann dir garantieren, dass es vollständig harmlos ist.«
»Na dann«, sagte Hultin erleichtert. »Ich bedaure auf jeden Fall, dass du bei der Entscheidung nicht mitreden konntest.«
»Deine nachträgliche Einsicht betrifft also nicht Jon Anderson selbst? Was hast du an ihm gesehen, was ich nach einem halben Jahr noch nicht sehe?«
»Was der A-Gruppe gefehlt hat.«
»Und was ist das?«
»Ich sollte wohl antworten: Das musst du selbst herausfinden. Es ist die Sache jedes Chefs, aus seinen Mitarbeitern das
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