Ungeschoren
Nase.«
»Überhaupt nichts?«, sagte Viggo Norlander und bog gleich hinter dem Söderkrankenhaus in eine kleine Parallelstraße ein, Richtung Skanstull. Im gleichen Augenblick sagte es Pling im E-Mail-Programm, und er klickte die Mail an.
»Nein«, sagte Grundström zerknirscht. »War er nicht ziemlich jung?«
»Ich habe gerade eine Mail von deiner Frau bekommen«, sagte Norlander. »Arbeitet sie im Modernen Museum?«
»Ja«, sagte Grundström abwesend.
»Sie schreibt: ›Der fragliche Fotograf ist ein dunklerer Fleck als ich selbst. Leider. Elsa.‹«
»Sie hat einen besonderen Humor«, sagte Niklas Grundström tiefernst.
Norlander hielt an, nahm das Handy aus dem Halter und steckte es in die Tasche, klappte den Laptop zu und klemmte ihn unter den Arm, als er die Treppe zur Eriksdalschule hinunterging. Seine Ankunft in dem während des Sommers geöffneten Freizeitheim machte einen nachhaltigen Eindruck, weil im selben Moment, in dem der Freizeitpädagoge die Tür öffnete, sein Handy klingelte. Da sein Klingelton, das klassische Mittsommerlied ›Die kleinen Frösche‹, auf höchste Lautstärke eingestellt war, breitete sich im Innern des zum Hallenhockeyfeld umfunktionierten Freizeitheims eine gewisse Heiterkeit aus.
»Warum spielt ihr nicht Fußball, wenn die Sonne scheint?«, fragte Norlander und meldete sich am Telefon.
Der Freizeitpädagoge starrte ihn an. Das Hallenhockeyspiel war angehalten. Es war wie ein Standbild. Der Ball schien in der Luft zu stehen.
»Ja«, sagte Viggo Norlander. Dann sagte er: »Ja. Nein. Okay, Jan-Olov. Gar keine Erinnerung? Und Stina? Nein, okay. Wenn euch noch etwas einfällt … Gut. Danke und hej. Jaja, ich erzähle es euch später. Hej.«
»Hej«, sagte er jetzt stattdessen zu dem Freizeitpädagogen und hielt seinen Polizeiausweis hoch. »Ich muss mit Linda Söderstedt aus der Klasse 9e sprechen.«
Ein kreideweißrotes Wesen tauchte mit dem Hockeyschläger in der Hand auf. »Ich dachte mir doch gleich, dass du es bist, Viggo«, sagte Arto Söderstedts Zweitälteste Tochter. »Ist Papa etwas passiert?«
»Nein, nein«, sagte Norlander beruhigend. »Gar nichts. Können wir einen Moment rausgehen? Wenn du frische Luft verträgst.«
»Haha, Plattnase«, sagte Linda Söderstedt und ging mit hinaus an die frische Luft.
»Pass auf, dass du keine Sonne abkriegst«, insistierte Norlander.
»Was ist denn? Wir sind mitten im Halbfinale.«
»Erinnerst du dich an einen Fotografen auf dem Fest für den Chef deines Vaters, der in Pension ging?«
»Was? Und deswegen störst du mich? Wir haben Schulmeisterschaft. Du Obertrottel.«
»Werden meine engelgleichen Töchter auch in Kürze erwachsene Männer mit Schimpfworten traktieren?«
»Klar erinnere ich mich an ihn«, sagte Linda Söderstedt.
»Kann ich jetzt gehen?«
»Was? Du erinnerst dich an den Fotografen?«
»Aber klar. Der war voll cool. Er hat mit mir geflirtet. Da bin ich ganz sicher.«
»Das Hallenhockeyturnier ist beendet«, entschied Viggo Norlander und entführte Linda von der Schulmeisterschaft.
»Was glaubst du selbst?«, fragte Sara Svenhagen. »Wie hat er erfahren, dass ihr euch treffen wolltet?«
Die Frau, die einmal Naska Rezazi geheißen hatte, beobachtete sie und schwieg.
»Nun komm schon, Lera«, bohrte Sara nach. »Er hat versucht, dir den Mord an deinem Bruder anzuhängen. Du hast keinen Grund, ihn zu decken.«
Das gleiche störrisch beharrliche Schweigen wie vorher.
»Was dir widerfahren ist«, versuchte es Sara, »war die Art von Verbrechen, die in der Abgeschlossenheit gedeiht. Und du selbst hast im Verborgenen gelebt. Nichts von alldem hier ist an die Öffentlichkeit gelangt. Es muss aus einem der geschlossenen Räume gekommen sein: entweder dem deiner Familie oder deinem eigenen. Und ich glaube nicht, dass deine Familie irgendeinen Außenstehenden das Allergeringste hat sehen lassen. Es muss von dir gekommen sein, Lera. Dein Raum war offener. Darum ging es ja bei dem Ganzen.«
»Ich heiße nicht mehr Lera«, sagte Naska Rezazi und blickte zu Sara auf. »Es war ein unwürdiger Name.«
»Ich verstehe, dass du so denkst, Naska. Aber Lena und Sara suchen einen mehrfachen Mörder. Man kann ihn vielleicht sogar einen Serienmörder nennen. Und er plant noch weitere Morde.«
»Heute bin ich Russin. Heute heiße ich Bahizeva. Olga Bahizeva.«
»Warum willst du mir nicht helfen? Man hätte dich freigelassen, und du hättest eine hohe Entschädigung bekommen. Stattdessen entscheidest du dich
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