Ungeschoren
sich die Internetseite des Clubs vor. Sie war einigermaßen fachmännisch gemacht. Ein bisschen Probleme mit Java Script, aber davon abgesehen ganz okay. Die Adresse eines Clublokals in Glömsta. Zeiten, zu denen man Mitglieder antraf, um über Modellflugzeugbau zu diskutieren. Sie würden heute Abend da sein. Von fünf bis sieben. Dann würde auch Gunnar Nyberg da sein und mit einem Phantombild wedeln. In Glömsta.
Weiter erstreckte sich Nybergs Auffassung von einer gesicherten Zukunft nicht.
Er lächelte seinem Partner sogar zu. Er meinte zu sehen, wie sich das Lächeln im Glaskäfig spiegelte.
Es sah grundfalsch aus.
12
»Ich will nicht mehr hier sitzen.«
Es war ein Stoß ins Herz.
»Hier ist es langweilig.«
Noch ein Stoß. Und das Unvermögen zu antworten, ohne zu lügen.
»Ich hab schon fünf Millionen Zeichnungen gemacht. Ich will was anderes machen.«
Kerstin Holm legte den Kopf schief und sagte: »Ich weiß, Anders. Wollen wir zu Mittag essen gehen?«
»Ich will nicht Mittag essen«, sagte Anders Holm. »Ich will Freunde treffen. Nie darf ich Freunde treffen.«
Oje. Sie war eine schlechte Mutter. Sie hatte noch keine Ferienbetreuung organisiert. Weit und breit keine Freunde in Sicht.
Wie sollte sie das Problem mit den Freunden lösen? Gab es noch Ferienlager? Aber dafür war es wohl schon zu spät? Außerdem müsste sie ihn dann mehrere Wochen weggeben, und das wollte sie nicht. Sie würde den Abend damit verbringen, bei seinen Klassenkameraden herumzutelefonieren, um herauszufinden, was sie machten. Wie lösten andere Eltern von Schulkindern das Sommerproblem? Sie hatte ja nicht einmal gewusst, dass ein solches existierte.
»Gut, dann male ich noch was«, sagte Anders lustlos und riss ein Blatt Papier an sich.
»Nicht das!«, rief sie.
Viel zu laut. In jeder Hinsicht der falsche Ton. Er zuckte zusammen und starrte sie an. Sein Blick sagte: Was bist du für eine schlechte Mama.
Während Anders sich ein anderes Blatt griff, ohne den schrecklichen Blick von ihr abzuwenden, schaute sie auf das Papier, das ihren Schrei ausgelöst hatte. Es war um 12 Uhr 23 per Fax angekommen, wie der Aufdruck am oberen Rand verriet. Der Platz für die Faxnummer war leer.
Auf dem Blatt stand nur: ›Denkt an Joy Rahman.‹
Das war alles.
Wie sollte man Joy Rahman vergessen können? Er war das Opfer des letzten Urteils in einer Serie von rechtswidrigen Urteilen in Schweden. Rahman war ein mobiler Altenpfleger aus Bangladesch, der wegen Mordes an einem Patienten acht Jahre im Gefängnis verbracht hatte. Im letzten Frühjahr wurde er von einem Berufungsgericht einstimmig freigesprochen. Der Freispruch war in aufsehenerregender Weise unbestritten. Joy Rahman wurde bereits eine Woche nach Abschluss des Verfahrens freigelassen.
Acht Jahre lang hatte der sanfte kleine Mann unschuldig im Gefängnis gesessen.
Was war das für ein komisches anonymes Fax? Die Telefonzentrale des Polizeipräsidiums verfügte über verschiedene Arten von Nummernlesern, und es war kein Problem gewesen, die Absendernummer herauszubekommen. Doch die gehörte wiederum dem großen Teleladen in der Stockholmer Kungsgata, wo jeder anonym ein Fax verschicken konnte, sodass die Spur hier endete.
›Denkt an Joy Rahman‹? Wie sollte man nicht an ihn denken? Es war ja erst zwei Monate her, und die Medien gaben immer noch keine Ruhe, als wollten sie ihr acht Jahre währendes Versäumnis kompensieren. Die Mahnung kam ihr sinnlos vor. Es war, als wollte man einen weinenden Zuschauer darauf hinweisen, dass Schweden bei der Fußball-WM ausgeschieden war.
Das Fax war unter der offiziellen Faxnummer der A-Gruppe eingegangen. Ein Computerausdruck, ziemlich großer Schriftgrad, vielleicht 24 Punkt, und der Schrifttyp Garamond, wenn sie sich nicht täuschte. Sonst nichts.
Ja, da war nicht viel zu machen. Es kam zu den Akten.
Dagegen war sie im Fall Anders gezwungen, etwas zu unternehmen. Sie griff zum Telefon und versuchte, sich an die Nummer seines besten Freundes in der Klasse zu erinnern. Eskil. Aber wie war sein Nachname? Und wie die Nummer? Sie hatte im vergangenen Jahr einige Male dort angerufen. Sechs fünf zwei sieben zwei. Nein.
Es klopfte schüchtern an der Tür.
»Herein«, rief sie gereizt.
Ein Mann im Jeansanzug in ihrem Alter schaute herein. Er kam ihr bekannt vor. Aus den Korridoren. Vielleicht auch von einem früheren Fall. Einem alten Fall.
Der Mann blickte verwundert auf Anders und hielt in der Türöffnung inne. »Ich störe
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