Ungeschoren
anhörte, sagte: »Sind Sie der Leiter der Abteilung für Interne Ermittlungen?«
»Ja. Worum geht es?«
»Es geht um einen Polizeibeamten, der in schwerwiegende kriminelle Machenschaften verwickelt ist.«
»Wer spricht denn da?«
»Das hat Zeit.«
»Um was für kriminelle Machenschaften geht es?«
»Drogenvergehen«, sagte die dumpfe Stimme.
»Und wer ist der Polizeibeamte?«
Kurze Pause. Dann: »Kriminalinspektor Jorge Chavez von der Spezialeinheit für Gewaltverbrechen von internationalem Charakter bei der Reichskriminalpolizei.«
»Aha«, sagte Grundströms Stimme, und sie klang nicht ganz wie sonst. »Und worum genau geht es jetzt?«
»Es liegt einige Jahre zurück«, sagte die dumpfe Stimme.
»Als Chavez bei der Polizei in Sundsvall arbeitete.«
»Und da hat er sich also eines schweren Drogenvergehens schuldig gemacht, Ihnen zufolge. Einem anonymen Anrufer?«
»Wollen Sie zuhören oder nicht?«
»Ich höre zu.«
»Jorge Chavez hat damals viel Musik gemacht. Meistens Jazz, ein bisschen Rock. Zusammen mit einer Gruppe von Musikern betrieb er ein kleines Jazzcafé, eine Art Jazzclub mit Namen Majls. Nach Miles Davis. Dort wurde damals einiges an Drogen konsumiert. Es war eine richtige verdammte Opiumhöhle.«
»In welcher Weise war Chavez beteiligt?«
»Man konnte dort Drogen kaufen. Alles, von Marihuana und Haschisch bis zu Crack und Ecstasy. Hauptsächlich Kokain und Heroin. Ziemlich viel Amphetamin. Mehr Aufputsch- als Abtörnstoff. Das Majls war ein Umschlagplatz für Heroin in Norrland.«
»Aha«, sagte Grundström ruhig. »Noch was?«
Nach einem Moment des Schweigens fuhr die dumpfe Stimme fort: »An Ihrer Stelle würde ich gleich heute einen Drogentest bei Chavez machen. Ich wette, dass er immer noch Drogenmissbrauch betreibt.«
»Okay«, sagte Grundström. »So weit die Anklage. Und jetzt die Beweise.«
»Ich habe keine Beweise, aber ich habe eine Menge Namen von Leuten, die bestätigen können, was ich gesagt habe. Wollen Sie sie haben? Oder werden Sie dieses Gespräch einfach begraben? Wenn in ein paar Tagen nichts passiert ist, rufe ich vom Reichskriminalchef bis zum Justizminister alle an. Von der Presse ganz zu schweigen.«
»Wie bekomme ich die Namen?«, sagte Grundström.
»Ich faxe sie Ihnen im Lauf der nächsten Stunde zu.«
»Okay, gut. Nein, ich werde es nicht begraben. Ich werde untersuchen, ob an Ihren Behauptungen etwas dran ist. Aber es wäre glaubwürdiger, wenn Sie nicht anonym blieben.«
»Wenn es zum Prozess kommt, werde ich in Erscheinung treten. Machen Sie sich darum keine Sorgen.«
»Also im Lauf der nächsten Stunde?«
»Im Lauf der nächsten Stunde.«
Das Trio am Ufer des Ravalen saß schweigend da und betrachtete das Tonbandgerät.
»Schwache Stimmenverzerrung«, sagte Jan-Olov Hultin schließlich. »Dahinter gebildete Stockholmer Stimme eines Mannes in mittleren Jahren. Kommt nicht ins Stottern. Weiß, was er sagen will.«
»›Drogen konsumiert‹«, sagte Stina. »Ist das nicht eine etwas ausgefallene Wortwahl?«
»Nachdenklich«, sagte Hjelm. »Als ob er nicht ›kiffen‹ oder so was sagen wollte. Ich stimme zu: gebildet, zielbewusst. Kein Wort über den Zweck der Übung. Schwer durchschaubar.«
»Telefongespräch und Fax«, sagte Hultin. »Habt ihr die Nummern überprüft?«
»Das Telefongespräch kam von einem öffentlichen Telefon am Hauptbahnhof. Das Fax eine halbe Stunde später aus dem Tele-Laden in der Kungsgata.«
»Also unidentifizierbar. Hast du mit dem Personal in dem Tele-Laden gesprochen?«
»Nur am Telefon. Erinnert sich an nichts. Erzähl jetzt mal von Jorge.«
Hultin schnaubte wütend: »Vor zehn Jahren fragten sie von der Polizeihochschule bei mir an, ob ich vor den Studenten eine Vorlesung über das Reichskrim halten könnte. Ich war damals ein ziemlich routinierter Kriminalkommissar und wusste eine ganze Menge über die Aktivitäten des Reichskrim, nahm also die Einladung an. Ich hielt meinen Vortrag, bekam aber von einem kleinen dunklen Burschen unter den Studenten einiges an Einwänden und schweren Fragen zu hören, unter anderem über die Zusammenarbeit mit der Sicherheitspolizei. Der Bursche war gewitzt und schnell im Denken, und ich blieb hinterher noch eine Weile da und unterhielt mich mit ihm. Ich erlaubte mir die Frage, wie er es geschafft habe, aufgenommen zu werden, obwohl er eigentlich zu klein war. ›Ablenkung im richtigen Augenblick‹, antwortete er. Ich nahm mir vor, seine Entwicklung im Auge zu behalten.
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