Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
dachte an Papiertiger und an Autos, die mit Höchstgeschwindigkeit in eine Stadt fuhren, und an den Ausruf ›Nie darf ich mal Freunde treffen‹. Und sie dachte an einen kraftvollen blauen Bannkreis.
    Dann wählte sie eine Nummer.
    Der Angerufene antwortete: »Åkesson.«

17
     
    Es war kein Fall. Er zwang sich, die Sache so zu sehen. Es war ein Nichtfall. Er war darangesetzt worden, um dafür zu sorgen, dass es ein Nichtfall blieb. Er war der Schutzwall gegen die Medien. Er war darangesetzt worden, um Gegenbeweise zu sammeln, die die Story im gleichen Augenblick, in dem sie veröffentlicht würde, zu einer Nichtstory machen würden. Und es eilte.
    Dennoch fuhr er nach Norrviken im gut zehn Kilometer nördlich von Stockholm gelegenen Vorort Sollentuna. Bald erkannte er das stille, unbewegliche schwarze Wasser. Den mythischen See Ravalen.
    Er fuhr seinen metallicgrünen Volvo S-60 auf den Kiesweg vor eine Garage. Weit unten, unterhalb des steil abfallenden, grasbewachsenen Hangs, lag ein Haus. Weil er zum allerersten Mal hier war, konnte er nur vermuten, dass das anspruchslose Haus in der Mitte zwischen dem dicht belaubten Mischwald und dem See das richtige war. Das hügelige kleine Grundstück war nicht mehr als ein Gedankenstrich zwischen dem See und dem Wald. Eine große Veranda erstreckte sich vom Haus zur Seite, parallel zum Ufer, dahinter ragte eine Angelrute über die Bordwand eines Ruderboots hinaus. Unmittelbar am Strand lag ein kleines Häuschen, eindeutig eine Sauna. An einem Nagel in einer Tanne am Waldrand hing ein Ornithologenfernglas. Es war kaum zu glauben, dass er nur fünfzehn Kilometer von der Stockholmer City entfernt war.
    Und Sisyphos gleich rollte ein älterer Mann in Hawaiihemd und zu kleinen Shorts einen Handrasenmäher den steilen Grashang hinauf und hinab.
    Paul Hjelm ging behutsam Schritt für Schritt abwärts. Er wollte keine Grasflecken auf den Anzug bekommen. Der Mann mit dem Rasenmäher hielt inne und starrte den Anzugmenschen an. Es dauerte eine ganze Weile, bis er ihn erkannte. Da ließ er den Rasenmäher vor einem Büschel Löwenzahn stehen und ging Hjelm entgegen.
    »Ich dachte schon, du wärst einer von diesen schwerstkriminellen Immobilienmaklern«, sagte er und streckte ihm die Hand entgegen. »Die tauchen in der Regel in Hugo-Boss-Anzügen hier auf und unterbreiten einem schamlose Angebote.«
    »Hugo Boss kann man nicht tragen«, sagte Paul Hjelm und schüttelte seinem früheren Chef die Hand. »Hugo Boss hat die SS-Uniformen entworfen. Das hier ist Armani.«
    »Na so was«, sagte Jan-Olov Hultin. »Maßgeschneidert?«
    »Grundström hat mir einen günstigen Schneider empfohlen. Türke.«
    »Stellt er Quittungen aus?«
    »Tja«, sagte Paul Hjelm zögernd. »Wenn man will.«
    »Auf die Weise wirst du vermutlich noch Reichspolizeichef«, lachte Hultin. »Wer hätte das vor einem Jahr gedacht.«
    Einen Moment lang standen sie da und sahen einander verlegen an. Als kämen die Worte nur widerwillig.
    »Du mähst also den Rasen?«, sagte Hjelm sinnlos.
    »Ich bringe es immer noch nicht übers Herz, das Unkraut zu beseitigen«, sagte Hultin. »Löwenzahn ist schön.«
    Ein weiterer Moment von Verkrampftheit. Dann sagte Hultin: »Komm, wir setzen uns auf die Veranda. Ich merke doch, dass du was auf dem Herzen hast. Stina hat Kaffee aufgesetzt.«
    Sie gingen zum Haus. Es hatte kaum mehr als fünfzig Quadratmeter Grundfläche. Hier hatten die Eheleute Hultin zwei Söhne bekommen und großgezogen, beide waren zu erfolgreichen Geschäftsleuten geworden und kamen nie zu Besuch. Und hier war das Ehepaar geblieben.
    Hjelm setzte sich auf den ihm angebotenen Platz auf der Veranda dicht am Ufer. Er blickte hinunter ins Ruderboot und sah eine große Dose, vermutlich mit Regenwürmern. Dann hob er den Blick und ließ die Schönheit auf sich einwirken. Die Sommersonne schien, und das schwarze Wasser funkelte.
    Hultin kam mit Kaffee und Zimtschnecken. Er goss ein und bot an. Seine Frau kam mit Lockenwicklern im Haar heraus und begrüßte Hjelm. Sie setzte sich neben ihn.
    Hultin sagte: »Mal abwarten, wie lange wir noch hier wohnen können. Noch sind wir beweglich, aber es kommt eine Zeit, wenn wir den Hang hinunterrollen und im Ravalen ertrinken.«
    Hjelm lächelte. Die Zeit schien ihm noch recht weit entfernt zu sein. Das pensionierte Paar war ungewöhnlich gut erhalten.
    Eine Weile herrschte Schweigen. Zwei Männer, deren Namen einmal für die meistbeachtete Polizeispezialeinheit des Landes

Weitere Kostenlose Bücher