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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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durch und durch faul«, fasste Jan-Olov Hultin zusammen.

18
     
    Zuerst ist es nichts.
    Dann ist es nichts.
    Dann ist es nichts mit schwachen, schwachen Konturen.
    Werden langsam klarer. Nehmen Form an.
    Nehmen im Roten Form an. Schaukeln leicht. Wippen in der Flüssigkeit.
    Viele Konturen jetzt. Striche und Figuren. Eine Anhäufung. Versuchen zu verstehen. Versuchen wahrzunehmen, was exakt in dem Augenblick geschieht, in dem sie zusammengefügt werden und zu einem Bild der Welt werden. Erkennbar.
    Wie es sich anfühlt in genau dem Moment.
    Da. Ein Vogel. Ausgebreitete Flügel.
    Wie alle losgelösten Einzelheiten zusammengefügt werden. Vereinigt werden.
    Der Augenblick.
    Das leicht Absurde an dem Bild. Lächeln, ja. Lächeln. Es geht. Es ist möglich. Versuchen, die eigenen Handlungen zu verstehen, während das Bild fixiert wird. Zusammengefügt wird. Vereinigt wird. Wie sie schreien müssen, um gehört zu werden.
    Aber in einer anderen Sprache.
    Einer anderen Art von Schrei.
    Damit es nicht im Brausen der Schreie verschwindet.
    Da. Fertig. Hebt ab. Schwebt.
    Das rote Licht, das die Augen zerstört. Das die Augen an das kommende Licht gewöhnt. Von der sterbenden Sonne.
    Invisible sun.
    Das Bild eines Vogels. Ja. Eines großen Vogels. Die Spannweite der Flügel fast von einer Ecke in die entgegengesetzte, eine bildfüllende Diagonale. Aber der Hintergrund ist da. Ist am Platz.
    Wissen, dass du das Gleiche fühlst, Hintergrund. Wissen, dass du verstehst. Wie alles sich verflüchtigt und leicht wird. Wie alle Werte zerrinnen. Eine leicht verdauliche, leicht vergessene, leichtlebige Welt.
    Dem Übel an der Wurzel Einhalt gebieten. Das geht nicht. Aber es zeigen.
    Nur zeigen. Das ist alles.
    Wir könnten glücklich sein.
    Der große Vogel ist eine Möwe. Wasser hinter den ausgebreiteten Flügeln, eine Veranda. Auf der Veranda ein stehender Mann, der mit einem Papier wedelt. Daneben zwei sitzende Menschen. Ein älterer Mann und eine ältere Frau.
    Dieser Schreck, Möwe.
    Das Bild an die Leine hängen. Wäscheklammer. Die Klammer an den Fingern spüren. All dies Sinnlose. Die Materie. Die Entwicklung hin zur Wäscheklammer. Die Finger an der Leine. Eine normale Wäscheleine. Fühlen, wie sie sich entwickelt hat. Jedes Ding hat eine Geschichte, eine Entwicklung. Die ersten Häute wurden über die Äste von Bäumen gehängt. Bald spannte man Sehnen zwischen den Bäumen. Die Häute wurden aufgehängt. Das Seil wurde erfunden, der Faden. Die Wäscheleine. Jahrtausende von Entwicklung hin zu dieser Leine in einem Fotolabor.
    Das zu fühlen, die ganze Zeit. Bei allem, was man berührt. Wie es das impulsive Jetzt auslöscht. Dass wir es fühlen sollen, das ist der einzige Sinn. Jede Abweichung vom impulsiven Jetzt ist ein Defekt.
    Der Mann auf der Veranda. So. Aufgehängt. Das Foto daneben auf der Wäscheleine: der mächtige Mann, die große Frau, der kleine Mann. Und das kleine Kind. Auf dem nächsten die laufenden Kinder. Und auf dem nächsten wieder der große Mann, an einem Küchentisch, über dem ein grellgelbes Modellflugzeug hängt. Und auf dem nächsten ein Mann, waagerecht in der Luft. Über ihm schwebt ein großer Tisch.
    Es sind viele Bilder.
    Der grenzenlose Schmerz darin, das alles zu sehen.
    All dies, weil ein ganz besonderes Band zwischen zwei Menschen entstanden ist. Alles, weil genau dieses Band auf die Probe gestellt werden soll. Denn ohne dieses Band kann kein wirkliches Denken stattfinden. Gerade dieses Band fällt mit der menschlichen Natur in ihrer reinsten Form zusammen.
    Wen man liebt, den züchtigt man.
    Ein Klischee. So unglücklich.
    Will kotzen.
    Unterdrückt es.
    Lächelt. Doch, es ist ein Lächeln.
    Macht Licht. Das rote Licht ist wahrer als dieses.
    Die Wand ist weiß. Weiß mit vielen schwarzen Strichen und vielen Buchstaben. Whiteboard.
    Nimmt den Schreiber. Zieht einen Strich, einen kleinen, kleinen Strich in der unteren Ecke der großen, wild verzweigten Figur. Die Figur hat eine seltsame, unerwartete Schönheit. Wie ein Netz, das nie ganz richtig vorauszusehen ist. Nur fast.
    Schreibt klein neben dem Strich.
    Schreibt. Spürt die Geschichte des Filzschreibers. Die ersten Schriftzeichen. Ein Zufall. Ähnlichkeit. Symbole, die die Welt bezeichnen. Symbole, die Geräusche bezeichnen. Die Geburt des Schreibstifts aus dem Ästchen.
    Die wunderbare Entwicklung hin zum Flipchart.
    Will kotzen.
    Unterdrückt es.
    Schreibt: ›Hjelm, Ehepaar Hultin.‹
    Ist zufrieden.
    Vorerst.
    Aber bald ist

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