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Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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glauben. Er war aufgerissen worden, von einer Frau in der gleichen Situation wie er. Ohne sich im Geringsten anzustrengen. Es war wie ein Traum. Und er handelte, als wäre es ein Traum. Sein Herz zog sich zurück über die Schwelle und fiel wieder in seinen üblichen Trott. Alles war leicht. Sie gingen die Treppe hinunter und bewegten sich auf den Ausgang zu. In einem Spiegel sah er den Umriss einer Frau auf dem Weg zu einem Tisch im hinteren Teil des Sturehof. Erst draußen auf dem Stureplan kam ihm in den Sinn, dass er den Umriss kannte. Aber es konnte nicht Kerstin sein. Er musste ein Gespenst gesehen haben. Er beeilte sich und holte Christina ein, die schon ein Taxi herangewinkt hatte.
     
    Kerstin Holm kam von der Toilette zurück. Die Schlange war auch hinter der Tür noch lang gewesen. Auf dem Weg zurück zum Platz meinte sie, einen gut bekannten Rücken zu sehen, der das Lokal verließ. Aber es konnte nicht Paul sein. Sie musste ein Gespenst gesehen haben.
    Als sie an ihren Platz zurückkam, saß dort ein Mann. Sie gab Lena Lindberg einen langen, doch nicht direkt überraschten Blick. Lena lächelte sanft und nickte kurz. Wie eine Bestätigung. Ein Gütezeichen der Prüfstelle. Ein Qualitätsstempel.
    Und die drei Freundinnen waren verschwunden.
    »Hej«, sagte der Mann und stand auf. »Habe ich vielleicht deinen Platz besetzt?«
    »Rutsch nur rein«, sagte Kerstin Holm. »Ich passe schon noch hin.«
    Der Mann war eindeutig jünger als sie, an die dreißig, dunkel und sportlich, das halblange Haar in einem Pferdeschwanz zusammengefasst. Und sein Blick war angenehm braun. Er lächelte sie an. Vielleicht ein bisschen zu breit, vielleicht ein bisschen zu geübt. Vielleicht auch nicht.
    »Das ist Viktor«, sagte Lena und nahm einen Schluck Bier. »Er ist Lehrer.«
    »Hej, Viktor«, sagte Kerstin und verschluckte ihre Zunge.
    So viele Hindernisse. Eine ganze Barrikade. Sie begriff, dass Lena in aller Stille Viktor für sie aufgerissen hatte. Er war eine Art Geschenk. Sie wusste nicht, ob sie dankbar war. Es lag so vieles im Weg. Bengt Åkesson und sein klarblauer Blick. Anders und die ganze Geschichte mit Dag Lundmark. Die tristen Bande des Vergangenen. Aber das hatte jetzt so lange da gelegen. Sogar ihre Therapeutin sagte, es sei an der Zeit für einen neuen Schritt ins Leben, und sie hatte genau auf dies hier angespielt. Und wie gesagt, es musste ja nicht für den Rest des Lebens sein. Als alleinstehende Mutter ohne großelterlichen Babysitter bekam man nicht so viele Chancen.
    Und so übel sah er ja nicht aus. Viktor. Mit diesem Pferdeschwanz.
    »Lena hat mir ein bisschen von dir erzählt«, sagte er.
    »Was kann das denn gewesen sein?«, sagte sie und warf Lena einen raschen Blick zu.
    »Vieles, was faszinierend klingt«, sagte Viktor und versuchte, ihren Blick festzuhalten. Doch der irrte noch umher.
    »Was kann an mir schon Faszinierendes sein?«
    »Soweit ich verstanden habe, hast du eine wichtige Stellung im öffentlichen Dienst inne. Vielleicht bist du meine Chefin.«
    »Ich bin die Chefin von Lena und noch ein paar anderen. Nicht besonders vielen. Ganz bestimmt nicht deine. Was für ein Lehrer bist du?«
    »Ich unterrichte Schwedisch und Mathe am Gymnasium von Kungsholmen. Viel mehr gibt es darüber nicht zu sagen. Ich rede lieber über dich.«
    »Eine ungewöhnliche Kombination«, sagte Kerstin Holm, und ihre Zunge fühlte sich wie ein zäher Klumpen an.
    »Ich glaube nicht richtig an die Grenzen zwischen den geisteswissenschaftlichen und den naturwissenschaftlichen Fächern«, sagte Viktor mit einem Schulterzucken. »Schwedisch und Mathe ergänzen sich gut. Das gibt ein bisschen Gleichgewicht im Dasein.«
    »Braucht man Gleichgewicht im Dasein?«
    »Ich brauche es jedenfalls im Moment. Meine Arbeit hat mir viel dabei geholfen, eine schwere Zeit zu überstehen. Ich liebe die Schüler und ihre Begeisterung.«
    »Eine schwere Zeit?«
    »Wir wollten doch von dir reden«, sagte Viktor mit einem schiefen Lächeln.
    »Erzähl schon.«
    »Meine Frau ist vor einem Jahr an Krebs gestorben. Mir ist es danach ziemlich schlecht gegangen.«
    »Das tut mir leid. Hast du keine Kinder?«
    »Wir wollten gerade Kinder haben, als sie die Diagnose bekam. Ausgerechnet Gebärmutterkrebs. Danach ging alles sehr schnell.«
    »Das tut mir wirklich leid.«
    »Das muss es nicht. Für mich war es gut, es sagen zu können. Jetzt weißt du es. Dass ich kein sorgloser Hallodri bin, falls du darauf aus warst.«
    »Ich weiß nicht, ob

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