Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ungeschoren

Ungeschoren

Titel: Ungeschoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
erreichte.
    Kerstin Holm hielt einen Penis umfasst. Es war so unglaublich lange her. Sie erinnerte sich kaum daran. Sie hatte vergessen, was es bedeutete. Das Wunderliche, Mächtige, Fremde. Und dabei die schlimmen Erinnerungen. So kompliziert, so unnötig und doch wunderbar kompliziert. Er war steif auf jene Art und Weise, die nicht überschritten werden kann, ohne eine Spur von Weichheit. Sie zog die Vorhaut zurück und staunte. Über das Leben. Über alles, was immer noch geschehen konnte. Die Hand wanderte hinab. Sollte sie wirklich? Gerade als sie mit einem dumpfen Beben die Zunge näher heranführte, hörte sie das deutliche Geräusch von splitterndem Glas. Sie hielt inne. Sie fühlte eine große und plötzliche Schwere, die sich auf ihr Herz legte. Die Schwere wich. Kerstin griff auch mit der anderen Hand zu. Und dann ließ sie die Lippen sich schließen. Und es war alles sehr sonderbar.
    Die Wärme kehrte in Gunnar Nybergs Brust zurück. Er hielt die Hand aufs Herz und fühlte. Nein, er lebte. Alles war wie immer. Er fühlte sich sogar leichter als sonst. Und auf dem Schlafzimmerfußboden waren keine Glassplitter.
    Dennoch war ein Glaskäfig zersplittert. Er fragte sich, was das bedeutete.
    Vielleicht nichts. Vielleicht war überhaupt nichts passiert. Doch er bezweifelte es.
    Er machte den Laptop aus und legte ihn auf den Boden. Ein lusterfüllter Strom glitt durch die Luft heran, und er sank an Ludmilas Seite nieder. Er presste sich an sie und legte eine Hand auf ihre Brust. Die andere glitt unter ihren Schlüpfer. Es musste tragen oder brechen.
    Es trug.
    Und bald war Mittsommer.

26
     
    Sara Svenhagen erwachte von einem äußerst verdächtigen Geräusch. Sie blieb mit geschlossenen Augen liegen und versuchte es zu identifizieren. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie begriff, was es war.
    Es war die Stille.
    Kein Babygeschrei.
    Verblüffend.
    Sie schlug die Augen auf und fand das Universum verlassen. Oder auf jeden Fall das Schlafzimmer leer.
    Noch halb im Schlaf schwankte sie zum Fenster. Es ging schleppend. Als watete sie in Sirup.
    Schließlich begriff sie, warum. Ein Zipfel des Lakens hing im Schlüpferbund fest. Als sie einen Blick hinter sich warf, sah sie, dass sie das gesamte Bettzeug hinter sich herzog und noch ein bisschen mehr. Das Betttuch lag über den Fußboden ausgebreitet da wie die Schleppe eines Brautkleids, und es wurde beschwert von zwei Kissen, zwei Daunendecken in ihren Bezügen, zwei Kuschelkaninchen und einer halb vollen Babyflasche. Mit einem Seufzer befreite sie sich von dem anhänglichen Hausrat und ließ das Rollo hochschnappen.
    Von der idyllischen Birkagata ergoss sich der milde Sommermorgen mit einer blendenden Woge von Licht ins Zimmer. Sie ging zu Boden.
    Es war eine anstrengende Nacht gewesen.
    Auf dem Weg hinaus in die Küche fischte sie im Vorbeigehen eine von Jorges Unterhosen auf. Sie trat in die Küche. Jorge saß angezogen am Küchentisch und gab Isabel die Flasche. Der kleine dunkle Kopf saugte eifrig.
    »Wie viel Uhr ist es?«, fragte Sara mit einer Stimme, die wie Gurgeln klang.
    »Halb sieben«, erwiderte der Gatte forsch.
    »Ist das die Brustmilch?«, fragte die Gattin und trat an den Tisch.
    »Nein, das ist ein halber Liter schwarz gebrannter Kartoffelschnaps.«
    Wortlos platzierte sie seine Unterhose auf dem Küchentisch.
    »Sieh mal, da ist sie ja«, stieß der Gatte aus. »Nach dieser grauen habe ich gesucht.«
    »Sie lag im Bett«, sagte die Gattin und öffnete den Kühlschrank. Mit leichtem Widerwillen betrachtete sie die Reihe exakt datierter Plastikflaschen. Abgepumpte Muttermilch. Sie sprudelte förmlich aus ihr heraus.
    Sie griff nach einer Flasche mit chinesischer Sojasauce und stellte sie auf den Tisch.
    Der Gatte beobachtete sie sachlich. »Willst du das anbehalten, während du dein Frühstückssoja trinkst?«, fragte er gelassen.
    Sie schaute an sich hinunter, und alles, was sie sah, waren ein paar riesige Brustwarzen. Es fiel ihr immer noch schwer, sich an die neuen Dimensionen ihrer Brüste zu gewöhnen. Dann blickte sie über den Tisch und sah die Sojaflasche.
    Aha, dachte sie. So ein Morgen.
    »Bist du wach?«, fragte Jorge, wieder ganz auf Isabel und die Flasche konzentriert.
    Sie sah ihn verwundert an und stellte fest: Nein. Nein, ich bin nicht wach. Einen Moment stand sie nur da und wurde wach. Dann stellte sie die Sojaflasche zurück in den Kühlschrank.
    Auf dem Weg ins Schlafzimmer hörte sie den Gatten:
    »Wenn du darauf bestehst, kannst

Weitere Kostenlose Bücher