Ungestüm Wie Wind Und Meer
raubte, und Jack nur tatenlos zusehen konnte, als der Tod sie holen wollte, da legte er ein feierliches Gelübde ab, dass er, sofern Kit ihm erhalten blieb, sie für den Rest ihres Lebens hüten würde wie seinen Augapfel. Ohne sie wäre sein Leben wertlos - das wusste er jetzt Seine Verletzbarkeit ärgerte ihn, doch er konnte es nicht abstreiten. Und er konnte auch nicht vor seinem eigenen Schuldanteil an ihrer unglückseligen Maskerade davonlaufen. Wenn all dies durchgestanden wäre, stand sie unter seiner Verantwortung - und diese Verantwortung wollte er ernster nehmen als jede andere in seinem Leben.
Für Kit verging die Woche in einem merkwürdigen Dämmerzustand; lichte Momente tauchten unter im Nebel der Verwirrung. Mal zitterte sie vor Kälte, mal schwitzte sie; ihr Hirn schmerzte furchtbar, wenn sie versuchte zu denken. Während der ganzen Zeit war sie sich einer schützenden Präsenz an ihrer Seite bewußt, eines Felsens, der in ihrer schwankenden Welt beständig blieb. In den wenigen Augenblicken des
Auftauchens aus der Bewusstlosigkeit erkannte sie Jack als diese Präsenz. Warum er sich in ihrem Schlafzimmer aufhielt war ihr ein Rätsel; sie konnte nur dankbar sein.
Das Ende kam abrupt.
Im frühen Morgengrauen schlug sie die Augen auf, und die Welt drehte sich nicht mehr um sie. Sie sah Jack, der in einem Lehnstuhl beim Bett schlief. Lächelnd versuchte sie, sich umzudrehen, um den unverhofften Anblick besser genießen zu können. Ein dumpfer Schmerz in ihrer linken Schulter verhinderte es. Mit gefurchter Stirn durchlebte sie noch einmal die Nacht am Strand und ihre Flucht vor den Steuertruppen. Sie war angeschossen worden, hatte die Steinbrüche aber noch erreicht. Und danach folgte - nichts. Wahrscheinlich hatte Jack sie gefunden und heimgebracht.
Eine vage Erinnerung klopfte an. Sie hatte irgendwie mit Sergeant Tonkin zu tun; vielleicht war sie im Steinbruch noch bei Bewusstsein gewesen und hatte den Sergeanten und seine Männer gehört. Innerlich zuckte Kit die Achseln. Sie würde sich zweifellos irgendwann richtig daran erinnern.
Der Gedanke an Spencer weckte den Vorsatz, so bald wie möglich zu ihm zu gehen und ihn zu beruhigen; sie wusste doch, wie er sich ängstigte, wenn sie verletzt war. Kit bewegte die Schulter. Sie spähte an sich herab, sah aber nur den Verband. jetzt spürte sie nur noch einen schwachen Schmerz.
Ihr Blick blieb auf Jacks schlafender Gestalt haften, und sie trank die vertrauten Züge in sich hinein wie ein Beruhigungsmittel. Seine Wangenknochen und seine Stirn wirkten noch eckiger als sonst. Seine gewöhnlich so glatten Wangen waren rau von Bartstoppeln. Er sah reichlich zerknittert aus, ganz anders, als sie ihn zuletzt gesehen hatte. Kit zog die Brauen zusammen. Wieder wehte diese flüchtige Erinnerung vorbei, so aufreizend gegenstandslos. Sie verzog, das Gesicht und schüttelte den Kopf. Ihre Lider waren schwer. Es war noch zu früh, um schon aufzustehen. Außerdem schlief Jack noch, und er sah aus, als brauchte er die Ruhe. Sollte sie auch noch ein bisschen schlummern, bis er aufwachte?
Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie wieder ein.
Das Gefühl, beobachtet zu werden, störte Jack im Schlaf. Er schlug die Augen auf und blickte mitten hinein in erschrockenes Blau. Kit war wach und starrte ihn an, als hätte sie einen Geist gesehen. Ihr Gesichtsausdruck verriet ihm, dass er sie nicht an die Szene Spencers Bibliothek zu erinnern brauchte.
»Lord Hendon?« Dass ihre Stimme so schwach klang, lag mehr an ihrem Schock als an ihrer Krankheit. Plötzlich schossen ihre Augen blaue Blitze. »Du bist Lord Hendon!«
Jack duckte sich unter dem Vorwurf. Dann straffte er sich wieder und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht Typisch Kit, gleich mit beiden Beinen zurück ins Leben zu springen. All seine Vorstellungen, einer schwachen, verwirrten jungen Frau vorsichtig die nähren Zusammenhänge zu erklären, flogen zum Fenster hinaus. Kit war wach, gesund und lebendig und im Vollbesitz ihrer geistige Kräfte. Und sie hatte sich nicht die Spur verändert.
Kit fuhr zusammen, als Jack die Hände von seinem Gesicht löste um auf die Armlehnen seines Sessels zu schlagen. Er sprang auf, grinste dümmlich in einer Mischung aus Freude, Entzücken und unverhohlener Erleichterung. Bevor sie sich's versah, hatte er sie aus dem Bett gehoben und sie, in den Laken verfangen, auf seinen Schoß gesetzt. Und dann küsste er sie.
Kits warme süße Lippen schmeckten Jack tausendmal
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