Ungestüm Wie Wind Und Meer
erschrocken über das Auftauchen eines bewaffneten Fremden aus den Dünen, die er mit Recht für sicher hatte halten dürfen. Wo zur Hölle war der Posten?
Als hätte er seine Gedanken gelesen, verzogen sich Belvilles Lippen zu einem unangenehmen Lächeln. »Ich fürchte, Euer Posten hat einen tödlichen Unfall erlitten.« Er blickte auf seine rechte Hand, die sich um den Pistolenknauf schloss. »Jemandem die Kehle durchzuschneiden, ist lautlose Arbeit, wenn auch schmutzig.«
Kit hatte das Gefühl, dass ihr das Blut in den Adern gefror. Sie sah, wie sich Jacks Züge verhärteten. 0 Gott! Wenn sie nichts unternahm, würde er erschossen! Sie drückte die Finger auf den Mund und überlegte angestrengt
Glücklicherweise schien Belville in redseliger Stimmung zu sein. »Ich muss zugeben, als unser Mittelsmann bei dieser Schlägerei ums Leben kam, haben wir es ursprünglich für schlichtes Pech gehalten. Doch als unsere französischen Kameraden dann fernblieben, als sie sogar kundtaten, unsere Dienste nicht mehr zu benötigen, da hielten wir eine Ermittlung für angebracht.« Belville ließ die Silben auf der Zunge zergehen, die drohenden Pistolen in seinen Händen standen in krassem Gegensatz zu seinem leutseligen Gebaren. »Vielleicht«, verlangte er, »möchtet Ihr mir angesichts der Schwierigkeiten, die Ihr mir bereitet jetzt mal erklären, wer Ihr seid und für wen Ihr arbeitet? - Bevor ich Euch allen eine Kugel in den Bauch jage.«
Kit wünschte ihm Glück. Sie konnte nicht glauben, dass Jack ihm selbst unter diesem enormen Druck etwas verraten würde, hatte jedoch nicht vor, es herauszufinden. Sie erinnerte sich an Jacks Pistole im Sattelhalfter. Hoffentlich war sie geladen. Als sie zurück in die Dünen kroch, hörte sie die Stimme ihres Mannes.
»Ihr seid vermutlich Lord Belville?«
Kit fragte sich, was ihr verflossener Galan davon halten würde. Sie eilte im Schutz der Dünen zu den Pferden.
»Woher zum Teufel wisst Ihr, wer ich bin?« Belvilles honigsüßer Ton war einem Fauchen gewichen.
»Ihr seid von jemandem in direkter Verbindung mit dem Hochkommissar identifiziert worden. Man könnte sagen, seine Lordschaft leiht dieser Person wohlgefällig sein Ohr.«
Jack hörte einen erstickten Ton von George an seiner Seite. Sorgfältig erwog er seine Chancen. Es sah nicht gut aus. Belville hatte nur zwei Pistolen, doch im Hosenbund des Mannes sah er den Knauf einer kleineren Schusswaffe. Vermutlich trug er auch ein Messer bei sich. Selbst wenn ein Schuss sein Ziel verfehlte - und warum sollte er, Belville hatte genügend Platz, und sie hatten keine Deckung -, hätte er aufgrund seines Gewichts beim Messerkampf mit George oder Matthew immer noch einen Vorteil.
Weiter zu reden und auf ein Wunder zu hoffen erschien Jack die beste Möglichkeit.
»Wer ist diese Person? Dieser Vertraute des Hochkommissars?«
Jack zog die Brauen hoch. »Ah - das wäre nun aber wohl Verrat, oder?«
Belville hob seine Pistolen. »Ich glaube nicht, dass es diese Person gibt.«
Jack hob die Schulter. »Aber woher kenne ich dann Euren Namen? Wir haben uns nie gesehen.«
Die Läufe schwankten. Belville starrte Jack aus schmalen Augen an. »Wer seid Ihr?«
Außer Sicht-und Hörweite schloss Kit die Finger um die kleine Pistole in Champions Sattelhalfter. Sie stieß einen erleichterten Seufzer aus. Wenn sie nur rechtzeitig zur Stelle war!
Als sie in die Dünen huschte, hörte sie Belvilles zornige, fordernde Stimme. Dem Mann gefiel es eindeutig nicht dass man seinen Namen kannte. Jacks Stimme antwortete ihm, fest und selbstbewusst, was Belville nur noch mehr zu erregen schien. Kit zwang sich zu äußerster Vorsicht auf dem Weg durch die Dünen, und betete, dass die scharfe Zunge ihres Mannes ihm nicht den Tod einbrachte, bevor sie zurück war.
»Sagen wir einfach, ich bin jemand mit einem Interesse am Schmuggelverkehr.« Jack heftete den Blick fest auf Belville. »Wenn wir uns mal eingehender unterhalten würden, ließe sich vielleicht ein gemeinsames Interesse feststellen?«
Belville runzelte die Stirn, erwog augenscheinlich diese Möglichkeit Dann schüttelte er langsam den Kopf. »Euer >Verkehr< kommt mir höchst merkwürdig vor. Ihr habt heute Nacht einen Mann rübergeschickt - Henry und ich wüssten gern, was er bei sich hat. Außer uns gibt es keine weiteren Verräter in Whitehall - Henry war sich dessen ganz sicher. Und das bedeutet, Ihr treibt ein Doppelspiel, eines, das Henry und mich womöglich den Hals kosten kann.«
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