Ungestüm Wie Wind Und Meer
drehte sich um und starrte Kit an. In einem Monat, lange bevor die Nächte milder wurden, würde sie ihren Schal nicht mehr brauchen. In einem Monat würde sie sich nichtmehr als Schmugglerverkleiden. In einem Monat würde sie als seine Geliebte in Erscheinung treten. Der Gedanke trieb ihm Falten auf die Stirn. Er würde seine Maskerade aber noch nicht aufgeben, denn er durfte ihr nicht sagen, wer er war, bevor er seine Mission erfüllt hatte. Mit einem innerlichen Seufzer konzentrierte Jack sich auf die Gegenwart. »Die Gesellschaft im Blackbird hat dich augenscheinlich beeindruckt?« Kit lümmelte sich auf ihrem Stuhl. »Auf solche Gesellschaft verzichte ich gern«, gestand sie. »Aber alles ist ja gut gelaufen. Beim nächsten Mal kennen sie mich schon und ich bin keine Attraktion mehr.«
Jacks entnervter Blick sprach Bände. »Beim nächsten Mal ... «, wiederholte er, zog sich einen Stuhl an die andere Seite des Tisches und setzte sich rittlings darauf. »Dir ist doch sicher klar, dass du nur mit heiler Haut entkommen bist weil George und Matthew und ich bei dir waren?«
Kit riss die Augen auf. »Ich hatte nicht gedacht, dass ich allein hingehen sollte.«
»Himmel, nein!« Jack fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Diese Idee ist der blanke Wahnsinn. Ich hätte niemals zustimmen dürfen. Aber lass dich wenigstens über einen Punkt aufklären. Wäre dir in dieser Spelunke auch nur der kleinste Fehler unterlaufen, der diese Männer hätte vermuten lassen ... « Jack suchte nach den richtigen Worten. Ein Blick in Kits offenes Gesicht ohne Schal und Hut verriet ihm, dass sie nicht ganz auf dem Laufenden war, wie es in derartigen Kneipen zuging. »Hätte vermuten lassen, dass ein Annäherungsversuch sich lohnte«, fuhr er fort, entschlossen, ihr die Gefahren deutlich vor Augen zu führen, »dann hätten wir mitten in einer Schlägerei gesteckt. Was hättest du dann gemacht?«
Kit zog die Stirn in Falten. »Mich hinter einem Tisch in Deckung gebracht«, sagte sie schließlich kleinlaut. "Im Faustkampf bin ich nicht so gut.«
Die Antwort brachte Jack um seinen Ernst Sich ihre zarten Händchen zu Fäusten geballt vorzustellen, war albern genug; geradezu lächerlich aber war der Gedanke, dass sie mit ihnen hätte Schaden anrichten können. Seine Lippen zuckten, er musste grinsen.
Kit lächelte süß. Unverzüglich wich jede Spur von Heiterkeit aus Jacks Miene und machte wieder seinem üblichen grimmigen Ausdruck Platz. Verdammt noch mal, er konnte lächeln, das wusste sie doch! Und zwar äußerst charmant.
Mach schon! Bring ihn zum Lächeln!
Still! ermahnte Kit das Teufelchen in ihrem Innern. Ich kann es mir nicht leisten, ihn zu verlocken - wenn er mich anfasst, kann ich nicht mehr denken, und wo bleibe ich dann?
Mit etwas Glück im Bett, kam die unverfrorene Antwort.
Ich will doch nur ein Lächeln, redete Kit sich ein und unterdrückte den Wunsch, ihrerseits ein grimmiges Gesicht zu machen. »Du machst dir zu viel Sorgen«, sagte sie. »Bestimmt wird alles gut, und es dauert ja nur noch einen Monat.«
Sie wickelte ihren Schal wieder um Hals und Gesicht und drückte den Hut auf ihre Locken. Jack wusste, dass er ein Machtwort hätte sprechen sollen, um ihrer Maskerade ein Ende zu setzen oder sie zumindest auf die unvermeidlichen Belange beschränken sollte. Er wusste es, sah aber keine Möglichkeit, es durchzusetzen. Auf seine Argumente hatte sie stets eine hieb-und stichfeste Antwort parat dann lächelte sie und brachte ihn vollends um den Verstand, bis nur noch ein drängendes Begehren in ihm war. Nie zuvor hatte er mit einer Frau zusammengearbeitet; im gesellschaftlichen Umgang waren sie ein Kinderspiel, aber im Berufsleben - offenbar wusste er einfach nicht wie sie da zu handhaben waren.
Ihr Stuhl scharrte über den Boden, als sie aufstand, und Jack sah sie an. »Dann bis morgen.« Sie lächelte und ärgerte sich maßlos, als Jack mit einem mürrischen Blick antwortete. Absichtlich stolzierte sie mit übertriebenem Hüftschwung zur Tür, hielt dort inne und hob salutierend die Hand. Seine Miene war düsterer als je zuvor. Ihre Zähne blitzten. »Gute Nacht, Jack.«
Als sie die Tür hinter sich zuzog, fragte Kit sich, ob das leise Grollen, das sie hörte, von der fernen Brandung stammte oder aus einer näherliegenden Quelle.
Die Unternehmung gab Kit einen ersten Eindruck von der Art wie Jack seine Pläne umsetzte. Alles lief wie am Schnürchen. Sie war der hauptsächliche Beobachtungsposten,
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