Ungestüm Wie Wind Und Meer
durchaus bereit zu tun, was Jack sagte, solange sie dabei aus erster Hand erfuhr, welche Frachten angeboten wurden. Falls es sich um >menschliches Frachtgut< handelte, blieb ihr Zeit genug, Alarm zu schlagen, ohne ihre kleine Truppe und, wenn möglich auch ohne Captain Jack und seine Männer zu gefährden.
Erfreut griff sie nach ihrem Hut. »Wo treffen wir uns?«
In Gedanken noch mit der Auflistung aller Gefahren beschäftigt die Kit im Blackbird erwarten könnten, schoss Jack einen eindeutig boshaften Blick auf sie ab. »Hier. Umelf.«
Kit grinste und verbarg ihr Gesicht in ihrem Schal. Sie war voller, Übermut und hätte Jack gern aus seiner mürrischen Stimmung, geholt, doch ihr Selbsterhaltungstrieb versagte doch noch nicht vollständig. Sie warf die Tür hinter sich zu, und Jack war allein.
Jack reckte sich, konnte sich aber erst entspannen, als der Hufschlag ihrer Stute nicht mehr zu hören war. Er freute sich keineswegs auf den Mittwoch - die möglichen Probleme waren grässlich.
Zu allem Überfluss musste er auf sie aufpassen, ohne dabei zu verraten, dass es eine Sie war, auf die er aufpasste. Befreit von Kits hemmender Nähe stöhnte Jack laut auf.
Elftes Kapitel
Kits Einführung in die düstere Welt des Blackbird war genauso nervenaufreibend, wie Jack sie sich vorgestellt hatte. Verstohlen behielt er ihren Hut im Auge, denn das war alles, was er von ihr sehen konnte, als sie neben ihm an dem groben Holztisch saß und die Nase in einen Bierkrug steckte. Hoffentlich trank sie das Zeug nicht wirklich; es war selbstgebraut und sehr stark. Jack hatte keine Ahnung, ob sie sich der Gefahren bewusst war. Dass er ihre früheren Erfahrungen nicht wirklich kannte, komplizierte seine Aufgabe als Beschützer nur noch mehr. Und einen Beschützer brauchte Kit mit Sicherheit, selbst wenn dieses verflixte Weib es nicht einmal ahnte.
Der Aufruhr, den ihr Erscheinen an seiner Seite ausgelöst hatte, schien ihr gar nicht bewusst zu werden. Die schlanke, streng in Schwarz gekleidete Gestalt zog abwägende Blicke auf sich. Zum Glück neigten die Gäste des Blackbird nicht zu offener Meinungsbekundung. Jack und George hatten gleich ihren gewohnten Tisch angesteuert und Kit mit sich genommen. Jack hatte Kit in die Ecke zwischen der Wand und seinem eigenen, massiven Körper gedrängt. Die Neugier der buntgemischten Gästeschar, die in dieser verregneten Juninacht Schutz unter dem schäbigen Dach des Blackbird gesucht hatte, überrollte sie wie eine Woge. Kit stand im Mittelpunkt.
»Wo zum Teufel steckt Nolan?« knurrte George. Er saß Kit gegenüber und beäugte nervös den Teil des Raums in seinem Blickfeld. Jack zog eine Grimasse. »Er wird schon kommen.« Er hatte sowohl George als auch Matthew über Kits Abkunft informiert, ihr Geschlecht jedoch verschwiegen. Ihre Haarfarbe war so eindeutig, dass sich jeder Kommentar erübrigte: Für sie war Kit Christopher Cranmers Bastard, der unter Spencers Fittichen in Cranmer Hall lebte. Den Wunsch des >Grünschnabels< betreffend, an den Verhandlungen über das Frachtgut beteiligt zu werden, hatte Georges Beschützerinstinkt jungen Leuten gegenüber sich als unerwartet hilfreich erwiesen.
Er hatte sich mit Kits Begleitung einverstanden erklärt. »Wenn die Spelunke dazu angetan ist, dem Burschen das Schmuggeln auszutreiben, um so besser«, hatte er gesagt. »In unserer Begleitung sieht er dann zumindest etwas mehr von den Schattenseiten des Lebens, ohne sich dabei in Gefahr zu begeben.«
Dieser Aspekt war Jack noch nicht in den Sinn gekommen - und er war gar nicht so sicher, ob er ihn auch vertreten würde. George rechnete gewiss nicht mit dem Interesse, das Kit wecken würde. Wie er selbst auch, waren George und Matthew gereizt, waren ihre' Nerven zum Zerreißen angespannt Die einzige Person, die offenbar nichts von der Spannung im Raum bemerkte, war die Ursache dieser Spannung.
Jack sah noch einmal zu Kit hinüber. Sie hatte ihren Kopf gehoben, hielt jedoch den Blick auf den Krug gesenkt, den sie mit beiden Händen hielt Dem unbefangenen Beobachter bot sie ein Bild. unbeteiligter Arglosigkeit, gelangweilt mit ihrem Getränk beschäftigt, völlig unbeeindruckt von der aufgeladenen Atmosphäre. Jack allerdings sah, wie verkrampft ihre behandschuhten Finger den Henkel des Krugs umklammerten.
Jack lächelte. Wohl doch nicht so naiv! Mit etwas Glück war sie außer sich vor Angst
Unruhe an der Tür kündigte einen Neuzugang an. Jack blickte über Matthews Schulter hinweg.
Weitere Kostenlose Bücher