Ungezaehmte Begierde
anderen. Als alle nickten, fuhr er fort: »Um Mitternacht also.« Dann nahm er Delaneys Hand und passte auf, dass er ihrem Blick nicht begegnete. »Gehen wir doch hoch in mein Zimmer, wo wir uns besser konzentrieren können.«
Reine Spekulation , hatte Lyon gesagt. Und Tighe fürchtete, dass er damit recht hatte. Aber es war ihre einzige Chance. Als er Delaney aus dem Raum führte, den Arm fest um ihre Schultern gelegt, krampfte sich sein Magen unheilvoll zusammen. Aber er konnte ebenso wenig leugnen, dass Hoffnung in ihm aufgekeimt war.
Noch hatte er eine Chance, mit dem Leben davonzukommen. Keine große vielleicht, aber immerhin eine Chance.
Wenn er diese Nacht überlebte, musste er als Nächstes Delaney davon überzeugen, dass sie in seiner Welt blieb und nicht in ihre eigene zurückkehrte.
Er zog sie an sich und küsste ihre Haare.
*
»Bist du bereit?«
Delaney zitterte und war froh, dass Tighe den Arm fest um sie gelegt hatte. Sie hatten besprochen, was sie sagen musste, und hatten es jetzt fünf Mal geprobt. Bei der Vorstellung, dass es jetzt ernst wurde, flatterten aber doch Schmetterlinge in ihrem Bauch und eine Gänsehaut lief über ihren Körper.
Ziel der Aktion war, dass der Klon sie sah. Dass er sie sah. Die Vorstellung, diese bösartige Kreatur zu ihnen ins Zimmer zu lassen, machte sie ganz krank.
»Er wird nicht hier sein, Dee. Er beobachtet dich nur.«
»Liest du jetzt meine Gedanken?«
»Nicht deine Gedanken. Aber ich spüre deine Gefühle, als wären es meine eigenen. Deine Nervosität. Aber auch deinen Widerwillen. Und deine Angst.«
»Macht dir meine Angst nichts mehr aus?« Doch, das tat sie. Sie konnte seine Gefühle ebenfalls spüren.
Seine Hand strich langsam über ihren Arm. »Angst hat mich all die Jahre über immer an die Zeit mit Gretchen erinnert. Diesen Teufelskreis hast du heute durchbrochen, Dee.«
Sie versuchte zu lächeln, war jedoch zu nervös. »Das freut mich.«
»Mich auch. Jetzt aber los. Wir müssen unsere Einladung aussprechen, sonst schafft er es nicht mehr rechtzeitig. Dann haben wir wirklich verloren.«
Delaney holte tief Luft und versuchte das Kribbeln auf ihrer Haut zu ignorieren. »Okay. Fangen wir an.«
Langsam drehte er sie zu sich herum. Sie bereitete sich darauf vor, dass er ihr in die Augen sah, um den Klon hereinzulassen. Aber stattdessen küsste er sie, stärkte und beruhigte sie. Doch klug wie er war, zog er sich zurück, bevor der Kuss außer Kontrolle geriet und sie nicht mehr klar denken konnte. Ein paar Gedanken brauchte sie noch.
Er strich mit den Händen über ihre Wangen und sah ihr in die Augen.
Sie spürte den Klon.
Ihr Herz raste bereits. Tighe hielt sie noch fester.
»Dee«, sagte er leise. »Ich bin es, Liebling. Ich weiß, dass du jedes Mal an ihn denkst, wenn du in mein Gesicht siehst.«
Mit seinen Worten wies er sie vorsichtig darauf hin, dass sie vor der Kamera standen. Er hatte ihr vorgeschlagen, sich einfach eine Fernsehkamera vorzustellen. Wenn sie ihre Rolle nicht überzeugend spielte, würde der Plan auch nicht funktionieren.
Sie blickte ihm in die Augen, öffnete ihr Herz – und schon strömte Tighes Liebe in sie hinein und beruhigte sie. Doch als sie in seine grünen Augen mit den dicken schwarzen Streifen sah, zog sich ihr Herz zusammen. Ihr wurde erneut bewusst, wie wenig Zeit ihnen blieb. Wie wichtig es war, dass sie das hier fehlerfrei hinter sich brachte.
Mit einer Entschlossenheit, die sich aus ihrer Verzweiflung speiste, sammelte sie sich. Und legte all ihre Gefühle in die Sätze.
»Was sollen wir nur tun, Tighe? Wie können wir dich retten?«
»Kougar hat einen Plan. Er hat herausgefunden, was mit der Dämonenfalle, die er gestern Nacht am Fluss ausprobiert hat, nicht stimmt. Er braucht mehr Krieger, mehr Energie. Heute um Mitternacht gehen wir alle dorthin. Alle – außer mir.«
Sie hob die Hand und strich über sein Kinn. »Weshalb du nicht?«
»Nach Möglichkeit lassen wir das Haus der Krieger nie unbeaufsichtigt. Und in meinem jetzigen Zustand, mit dieser Seele, die dabei ist sich aufzulösen, ist meine Energie nur sehr gering. Wenn es nicht ohne mich geht, werden sie mich rufen. Dann muss ich gehen.«
»Werden sie ihn umbringen, sobald sie ihn gefasst haben?«
»Sie bringen ihn zu mir, damit ich ihn umbringe. Wir wissen nicht, welche Entfernungen die Seele überwinden kann, und wollen lieber kein Risiko eingehen.«
Es war geschafft. Sie hatten alles gesagt, was sie sagen mussten. Aber sie hatten
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