Ungezaehmte Leidenschaft
Risiken lohnten, Mangelware waren. Mittlerweile verfolgten sie eine sicherere und weitaus vernünftigere Option. Die neuen Pläne waren vielversprechend.
»Außer mit dir spreche ich mit niemandem über die wahre Natur meiner Beziehung zu Mr. Sweetwater«, sagte Virginia. »Was die anderen im Institut betrifft, wissen sie nur, dass ich Mr. Sweetwater erlaubt habe, mich bei der Arbeit zu beobachten.«
Charlotte hob die Augenbrauen. »Bist du sicher, dass du Owen Sweetwater trauen kannst? Er könnte dich für seine eigenen Zwecke benutzen.«
»Ach, daraus macht er kein Geheimnis«, gab Virginia ihr recht. »Er gab offen zu, dass er bei seinen Ermittlungen meine Hilfe braucht. Meine Intuition sagt mir, dass ich ihm trauen kann, was meine persönliche Sicherheit betrifft. Nach den Ereignissen der letzten Nacht bin ich sicher, dass er mir nicht übel will, sein großes Interesse an mir ist aber nur der Tatsache zu verdanken, dass er mich für den Schlüssel zu dem Fall hält, an dem er arbeitet.«
»Na schön, solange du die Augen offen hältst … Versprich mir, dass du sehr vorsichtig sein wirst.«
»Glaub mir, Vorsicht hat bei mir höchste Priorität«, erwiderte Virginia. »Aber jetzt zu einem interessanteren Thema. Wie steht es um deine Erforschung medizinischer Therapien gegen weibliche Hysterie?«
»Ich stecke noch im Ermittlungsstadium, aber der Name eines Arztes taucht immer wieder auf«, erklärte Charlotte. »Dr. Spinner. Seine Patientinnen schwärmen von seiner Behandlungsweise. Er soll ein ganz neues medizinisches Gerät anwenden und erstaunliche Resultate erzielen.«
»Wie funktioniert es?«
»Ich hörte, dass das Instrument vibriert. Viele Frauen haben wöchentlich fixe Termine bei Dr. Spinner. Sie sagen, sie würden um nichts in der Welt eine Behandlung versäumen.«
»Ehe man sich einen Termin geben lässt, sollte man sicher positive Beurteilungen anderer Patientinnen hören«, sagte Virginia. »Aber ich gestehe, dass ich nicht scharf auf eine Behandlung mit einem elektrischen Gerät bin. Das klingt ziemlich seltsam.«
»Nach allem, was ich höre, ist Spinners Behandlung ungefährlich. Mir wurde versichert, das vibrierende Ding, mit dem er therapeutische Krämpfe hervorruft, sei das allermodernste Modell und sehr wirksam.«
»Seine Behandlung gilt weiblicher Hysterie«, rief Virginia ihr in Erinnerung. »Keine von uns leidet daran.«
»Kann es denn so schwierig sein, einen hysterischen Anfall vorzutäuschen?«
»Bestimmt nicht«, gab Virginia zu. »Nach allem, was ich letzte Nacht durchmachen musste, sind meine Nerven tatsächlich sehr angegriffen.«
»Natürlich«, rief Charlotte begeistert aus. »Meine ebenso. Ich bezweifle sehr, dass Dr. Spinner bei seinen Diagnosen übertrieben gewissenhaft ist. Schließlich weiß man von hysterischen Patientinnen nur, dass sie für einen Arzt eine ständig sprudelnde Geldquelle darstellen.«
»Die Krankheit erfordert nur regelmäßige Arztbesuche, wenn man denn einen therapeutischen Effekt erzielen möchte.«
»Kurz gesagt, die Hysteriepatientin ist die ideale Patientin«, sagte Charlotte. »Außerdem ist die Medizin überzeugt, dass ein Leben als Unverheiratete an sich schon Hysterie hervorruft. Es soll mit dem Problem weiblicher Wallungen zu tun haben. Ein nervenaufreibender Zustand, heißt es. Wir beide fallen jetzt in die Kategorie der alten Jungfern.«
»Ich nehme an, eine unglückliche Ehe beansprucht die Nerven ebenso.« Virginia erschauderte. »Denk nur an die Lage der armen Lady Hollister. Sie muss geahnt haben, dass sie mit einem Ungeheuer verheiratet ist, und doch konnte sie nichts dagegen tun. Schließlich endete sie im Wahnsinn. Da ist mir das Problem weiblicher Wallungen lieber.«
»Mal ehrlich«, sagte Charlotte, »keine von uns beiden hätte es mit einem grässlichen Kerl wie Hollister lange ausgehalten. Hätte er eine von uns geheiratet, hätte er die Flitterwochen nicht überlebt.«
»Stimmt«, gab Virginia ihr recht. »Aber wir beide besitzen viel Talent, und damit geht Intuition Hand in Hand. Wir hätten dieses Ungeheuer erst gar nicht geheiratet. Wir hätten das Monster in ihm gespürt.«
»Wir wissen, dass einer der Gründe unserer Ehelosigkeit unsere Talente sind.« Charlotte rümpfte die Nase. »Starke Intuition ist ja gut und schön, steht aber einer romantischen Beziehung im Weg. Überleg doch, Ginny, wir werden siebenundzwanzig, und keine von uns hat einen Mann gefunden, den sie leidenschaftlich lieben kann. Deshalb
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