Ungezaehmte Nacht
wissen, dass hier etwas völlig anderes geschehen ist«, fügte Isabella hinzu und starrte die Frau mit unbewegter Miene an.
Die Köchin schaute zu Boden und nickte sorgenvoll. »Nichts ergibt noch einen Sinn«, murmelte sie und klopfte dem alten Mann auf die Schulter. »Ich weiß nicht, was heute geschehen ist, aber ich habe genau das Gleiche empfunden.«
Isabella nickte. »Hier ist etwas am Werk, das ich nicht verstehe, doch dieser arme Mann hat nichts damit zu tun, genauso wenig wie die Köchin, als es ihr geschah. Wir müssen aufeinander aufpassen. Falls euch irgendetwas falsch erscheint, versucht, einander zu helfen, und kommt zu mir, Sarina oder Betto! Lasst uns zusammen daran arbeiten!« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Ich glaube, wir brauchen Alberita und ihr Weihwasser.«
Einige der Dienstboten schafften es, ein antwortendes Lächeln aufzusetzen. Müde und mitgenommen wie Isabella war, hatte sie vorläufig nicht mehr zu geben und ließ sich sogar von der Wirtschafterin stützen, als sie über die Flure zu der gewundenen Treppe zurückgingen.
»Du wirst es Nicolai erzählen, oder?«, fragte Isabella misstrauisch.
Sarina schlang ihren Arm noch fester um Isabellas Taille. »Ja, er muss es wissen. Das habt Ihr gut gemacht, Signorina Isabella. Sie waren alle so empört über seine Tat, dass sie ihn ohne Eure beruhigenden Worte vielleicht angegriffen hätten.«
»Hast du etwas abbekommen?« Isabella kämpfte mit den Tränen. Der Tag hatte schon nicht gut begonnen, und sie befürchtete, dass er auch kein gutes Ende nehmen würde.
»Nein, nein, mir geht es gut. Ihr wart zwischen mir und dem Feuer.«
Betto kam besorgt und außer Atem herbeigelaufen, was nur bewies, wie schnell der Klatsch sich schon im Haus verbreitete. Sarina schüttelte warnend den Kopf, und ihr Mann blieb stehen, wo er war, und starrte Isabellas rußgeschwärztes Kleid an.
KAPITEL ZWÖLF
D er Raum unter dem Kastell war gefüllt mit Wasserdampf, und Isabella war mehr als dankbar für den Dampf und die Feuchtigkeit, die aus dem heißen Wasserbecken aufstiegen. Im letzten Moment, kurz vor dem Betreten ihres Schlafzimmers, hatte sie auf ihre Hände herabgeschaut und war entsetzt gewesen über den Ruß und den Schmutz, die an ihr hafteten. Das Zittern, das sie jäh durchlief, hatte sie fast in die Knie gezwungen. Ganz plötzlich war es das Wichtigste der Welt gewesen, jede Spur des Zwischenfalles zu entfernen. Sarina hatte nicht widersprochen, als Isabella sie bat, sie zu dem hübsch gekachelten Bad zu führen.
Dort ließ sie ihr verkohltes Kleid auf dem polierten Marmorboden liegen und stieg langsam die Stufen in das Becken hinunter, um ihren Körper an das heiße Wasser zu gewöhnen. An einigen Stellen brannte ihre Haut, aber das Wasser war wunderbar beruhigend. Ohne sich noch länger gegen das Zittern zu wehren, sank sie in das Bad, und Sarina machte sich sofort daran, Isabellas Zöpfe zu entflechten.
Dann flog die Tür auf, und Don DeMarco stürmte herein. Er sah stark wie immer, wütend und aufgewühlt von turbulenten Emotionen aus. Zuerst sagte er nichts, sondern marschierte nur auf und ab, und seine langen Schritte verrieten seine innere Erregung mindestens ebenso deutlich wie das leise Knurren, das aus seiner Kehle kam.
Eingeschüchtert von dem nur mühsam beherrschten Zorn des Dons, blickte Isabella Sarina Hilfe suchend an, aber die Wirtschafterin schien sogar noch verängstigter zu sein als sie selbst. An ihrem gesenkten Blick war für Isabella unschwer zu erkennen, dass sie Nicolai jetzt nicht in seiner menschlichen Gestalt sehen konnte.
Nicolai hielt in seinem Hin- und Herlaufen inne und richtete seine glühenden Augen auf Isabella. »Lass uns allein, Sarina!« Es war ein Befehl, der keinen Widerspruch duldete.
Die Wirtschafterin drückte in stiller Kameradschaft Isabellas Schulter und ließ das Haar ihres Schützlings offen, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass seine Länge und Fülle ihre Nacktheit einigermaßen verdecken würde. Dann zog sie sich ohne ein Wort zurück. Nicolai folgte ihr und verriegelte die schwere Tür von innen, um mit Isabella allein zu sein.
Isabella zählte ihre eigenen Herzschläge, und als sie die Spannung nicht mehr aushielt, glitt sie unter das Wasser, um sich den Ruß vom Gesicht zu waschen und den Rauchgeruch aus ihrem Haar zu spülen. Sie wollte entkommen, einfach nur verschwinden. Als sie wieder auftauchte, um Luft zu holen, stand Nicolai am Kopf der kleinen Treppe und sah so wild,
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