Ungezaehmte Nacht
versteifte sich vor Empörung, weigerte sich jedoch, sich umzudrehen und ihn anzusehen. Und sie dachte auch nicht daran, seinen Vorwurf zu entkräften. Was fiel ihm ein, seine Stellung als Don zu benutzen, um ihr vorzuschreiben, wie sie sich zu verhalten hatte? Sie kochte vor Wut und hätte am liebsten das Porzellan nach ihm geworfen. »Ich glaube nicht, dass ich für Eure Gefühle verantwortlich bin, Signore «, entgegnete sie kühl. »Sie sind ganz die Euren und haben nichts mit mir zu tun.«
Er hatte sie mit seinem kranken Zorn verletzt, das konnte er an ihrer Stimme hören. Und obwohl ihr Gesicht von ihm abgewandt war, wusste er, dass es sich auch in ihren ausdrucksvollen Zügen zeigen würde. Wieder fuhr er sich mit der Hand durchs Haar. Er wollte sie eigentlich nur noch in die Arme nehmen, sie an sich drücken und ihr Schutz und Sicherheit anbieten. »Isabella, hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Oder vielleicht verstehst du mich auch nicht. Keiner meiner Vorfahren hat die Macht des Tieres – oder auch seine Bestimmung – je so früh verspürt wie ich. Es bestand keine Gefahr, solange ich mich von anderen Menschen fernhielt und Herr der Lage blieb. Doch nun habe ich Gefühle für dich entwickelt. Alles, was ein Mann empfindet – und sogar noch mehr. Diese Gefühle sind stark und machen meine Selbstbeherrschung vollkommen zunichte.«
Das Bild, das seine Worte heraufbeschworen, war das von den zerfetzten Überresten von Hauptmann Bartolmeis Jackett. »Wie Eifersucht zum Beispiel, Nicolai? Bist du eifersüchtig geworden?«, fragte sie sehr leise, ohne sich ihm zuzuwenden.
» Dio! Natürlich bin ich eifersüchtig. Ich höre dein Lachen und sehe, wie die Augen der Männer jede deiner Bewegungen verfolgen. Ich bin sogar eifersüchtig auf die Schatten, die auf deinen Körper fallen. Vergiss nicht, dass ich seit meinem zwölften Lebensjahr allein gelebt habe, Isabella, oder zumindest ganz für mich. Ich hatte mich mit meinem Leben und meinen Verpflichtungen meinen Leuten gegenüber abgefunden. Und ich habe versucht, dich davon abzuhalten hierherzukommen.« Er schloss für einen Moment die Augen und rieb sich müde mit der Hand über das Gesicht. »Ich wusste es, sowie ich deinen Namen hörte. Da war mir sofort klar, was du mit mir machen würdest. Und ich behielt recht: Du hast den Weg in mein Herz gefunden, und nichts bringt dich wieder heraus.«
Da drehte sie sich um, und ihre Augen standen voller Tränen. »Dann hast du dich ja damit abgefunden, dass wir untrennbar miteinander verbunden sind. Jetzt musst du nur noch an uns glauben. Nicht an dich, sondern an uns.«
Er trat einen Schritt auf sie zu, blieb aber jählings wieder stehen und ballte die Hände zu Fäusten, als er die leisen Schritte eines sich nähernden Dienstboten vernahm. »Ich will dir nicht wehtun.« Seine sanfte Stimme war wie eine Umarmung und von einer solch grenzenlosen Zärtlichkeit geprägt, dass Isabellas Magen sich verkrampfte.
»Dann glaub an uns, oder lass mich gehen!«, sagte sie, um es ihm leicht zu machen.
»Don DeMarco, die Boten sind eingetroffen. Sie bitten um eine sofortige Audienz bei Euch«, informierte Betto ihn.
Am gesenkten Blick des alten Mannes war zu erkennen, dass er Nicolai nicht in seiner wahren, menschlichen Gestalt sehen konnte. Isabella machte einen tiefen Knicks vor dem Don. » Grazie , dass Ihr Euch die Zeit genommen habt, mit mir das Frühstück einzunehmen, Signore! Es war …« Sie senkte bescheiden den Blick. »Interessant.«
Nicolai schüttelte den Kopf und wandte sich von ihr ab, außerstande oder auch vielleicht nicht bereit, sich ihrer Verärgerung zu stellen. »Wir sehen uns später, Isabella.« Es hörte sich schon fast wie eine Warnung an. Dann wollte er an ihr vorbeigehen, zögerte jedoch und griff nach ihrem Handgelenk, um sie an sich heranzuziehen. Den dunklen Kopf gesenkt, raunte er ganz dicht an ihrem Ohr: »Und ich werde dich nicht gehen lassen, Isabella. Niemals.« Abrupt gab er ihre Hand wieder frei und eilte davon.
Isabella hätte vor Wut mit dem Fuß aufstampfen können. Aber da das kindisch gewesen wäre, holte sie nur tief Luft und ließ sie langsam wieder entweichen, während sie das Handgelenk rieb, an dem sie noch seine Berührung spürte. »Wie geht es dir, Betto?«
»Viel besser, Signorina «, antwortete er und zog verständnislos die schmalen Schultern hoch. »Ich weiß immer noch nicht, was an jenem Tag in mich gefahren ist. Es war, als wäre ich in einem Traum
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