Ungezaehmte Nacht
den bernsteinfarbenen Augen. »Sie zu reiten, bevor sie an den Geruch der Löwen gewöhnt ist, wäre gefährlich, cara , und du wirst eine Eskorte brauchen, wenn du in diesen Bergen und Tälern reiten willst. Ich bin jedoch sicher, dass dein Pferd sich über einen Besuch in den Stallungen freuen würde. Sie befinden sich innerhalb der Außenmauern des castello , und dort müsstest du völlig sicher sein.«
Völlig sicher. Sie würde nie wieder sicher sein. Aber sie war zu müde, um zu widersprechen, zu müde, um irgendetwas anderes zu tun, als sich aufzurappeln und ihre Kleider glatt zu streichen. Sie konnte Nicolai nicht ansehen, als sie am Feuer stand und ihre Frisur in Ordnung brachte. Isabella hörte, dass er sich anzog und versuchte, sein Haar zu zähmen, indem er es zu einem Zopf zusammenband. Als sie das Gefühl hatte, sich wieder im Palazzo sehen lassen zu können, ohne Vermutungen oder Kommentare herauszufordern, wandte sie sich zum Gehen.
Nicolai, der plötzlich Angst hatte, sie aus den Augen zu lassen, und befürchtete, sie schon verloren zu haben, folgte ihr zur Tür. Bevor sie hinausgehen konnte, nahm er ihr Gesicht zwischen seine Hände und küsste sie tief und leidenschaftlich, bis sie den Kuss erwiderte und sich an ihn schmiegte. Als sie fort war, lehnte Nicolai sich mit dem Rücken an die Tür und blieb dort lange so stehen, weil ihm das Herz bis zum Halse klopfte und seine Kehle vor Angst wie zugeschnürt war, sodass er kaum noch atmen konnte.
Isabella beeilte sich, ihr Schlafzimmer zu erreichen, um sich umzuziehen. Ihre Erscheinung wies noch zu viele Anzeichen ihrer Beschäftigung der letzten beiden Stunden auf, auch wenn sie befürchtete, dass vor allem ihre Augen sie verrieten. Als sie überzeugt war, etwas zum Anziehen gefunden zu haben, das keinen Verdacht erregen würde – ihre Reitkleidung –, machte sie sich auf den Weg ins Erdgeschoss, um Betto zu suchen. Er beschrieb ihr sofort bereitwillig den Weg zu den Stallungen und bot ihr an, sie zu begleiten. Das lehnte Isabella jedoch höflich ab, weil sie ein wenig Zeit für sich selbst brauchte, um einen klaren Kopf zu bekommen und nachzudenken. Ihre düsteren Zukunftsaussichten lasteten bereits schwer auf ihren Schultern, und sie brauchte Raum zum Atmen.
Dankbar für die frische, kalte Luft, die ihr draußen entgegenschlug, blieb Isabella einen Moment stehen, um tief durchzuatmen. Dann machte sie sich auf den Weg zu den Stallungen. Sie befanden sich innerhalb der Außenmauern, jedoch in einiger Entfernung des Palazzos. Entschlossen zog sie ihren Umhang um sich zusammen und betrat den von vielen Dienstboten und Soldaten ausgetretenen Pfad, der auf die Stadt zuführte. Isabella folgte dem Weg, bis er von der Richtung abschwenkte, die sie eigentlich hatte einschlagen wollen. Doch obwohl es sie zu der nahen Stadt hinzog, ging sie weiter auf die Ställe zu. Sie hatte sich schon zu lange nicht mehr um ihre Stute gekümmert. Der Pfad zu den Stallgebäuden war von vielen Füßen festgedrückt, aber er war nicht so breit oder viel begangen wie der andere, der zur Stadt führte. Egal, wie vorsichtig sie Fuß vor Fuß setzte, schien der Schnee doch immer irgendwie in ihre Schuhe zu gelangen.
Bevor sie das lang gestreckte Gebäude betreten konnte, in dem die Pferde untergebracht waren, bemerkte sie Männer auf den umliegenden Feldern, die ihre Reittiere dort auf und ab führten. Die Augen und Hufe der Tiere waren mit Stoff umwickelt. Einige tänzelten nervös, andere warfen störrisch die Köpfe hoch. Die Männer beruhigten sie, indem sie leise auf sie einredeten und ihnen den Hals klopften, während sie mit ihnen unentwegt das Feld umkreisten.
Neugierig trat Isabella näher. Dabei achtete sie jedoch darauf, sich weit genug von dem Geschehen fernzuhalten. Jemand schrie, schwenkte eine Hand und zeigte auf ein junges Pferd, das sich schnaubend aufbäumte und dessen Reiter offensichtlich Schwierigkeiten hatte, mit den Ängsten des Tieres umzugehen. Auf die ihm zugebrüllten Befehle hin packte der Soldat das Zaumzeug fester und beruhigte das Tier mit leisen Worten. Isabella sah jetzt, dass es Sergio Drannacia war, der die Übung leitete.
Sie wartete am Rand des Feldes, bis er sie bemerkte. Bei ihrem Anblick hellte sein Gesicht sich auf, und nachdem er schnell etwas zu dem Mann neben ihm gesagt hatte, kam er zu ihr herüber.
Als er sie fast erreicht hatte, lächelte sie und winkte. »Sergio! Was tut Ihr mit den Pferden? Warum habt Ihr ihnen die Augen
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