Ungezaehmte Nacht
hassen!«
Langsam blickte sie sich nach Francesca um, die nur ein, zwei Schritte in den Raum hineingetreten war. Sie wirkte unsicher, nervös sogar, was so überhaupt nicht zu ihrem üblichen selbstsicheren Auftreten passen wollte. »Ich bin nicht böse auf dich, Francesca.« Mit einem kleinen Seufzer schob Isabella die Hand ihres Bruders unter die warme Decke und erhob sich, um Nicolais Schwester gegenüberzutreten. »Ich bin nur verletzt und enttäuscht, weil ich dachte, dass wir wahre Freundinnen wären. Nachdem ich mir erlaubt hatte, große Zuneigung zu dir zu fassen, fühlte ich mich verraten und von dir getäuscht.«
Francesca nickte. »Ich weiß. Ich weiß, dass es falsch war, was ich tat. Ich hätte dir gleich zu Anfang sagen sollen, wer ich bin. Ich wollte aber nicht zugeben, dass ich die … nun ja, verrückte Schwester des Dons bin.« Sie senkte den Blick auf ihre Hände. »Du kanntest mich nicht, wusstest überhaupt nichts über mich, und trotzdem hast du mich ganz einfach akzeptiert, als ich plötzlich in deinem Zimmer auftauchte.« In einer Geste, die sehr an ihren Bruder erinnerte, rieb sie sich den Nasenrücken. »Bei dir konnte ich sein, wer ich wollte. Ich war die Rolle der halb verrückten Schwester des Dons leid geworden, hatte jedoch keine Möglichkeit, etwas daran zu ändern, bis du ins Tal kamst, Isabella.«
Der Schmerz, den Isabella in Francescas Augen sah, machte es ihr unmöglich, kein Mitleid mit ihr zu empfinden.
»Du bist die einzige Freundin, die ich jemals hatte, der einzige Mensch, der jemals mit mir sprach, als wäre das, was ich sagte, kein kompletter Unsinn.« Francesca ging durch das Zimmer, um auf den Mann herabzublicken, der in dem Bett lag und nur mühsam und rasselnd atmete. »Du hattest sogar genug Vertrauen zu mir, um mich zu bitten, mich um deinen Bruder zu kümmern. Ich möchte unsere Freundschaft nicht verlieren, Isabella. Ich habe viel darüber nachgedacht, und mein Stolz ist unwichtig, verglichen mit dem, was du mir geschenkt hast.« Sie kniete sich neben das Bett. »Ich habe nicht getan, was Nicolai behauptet. Ich weiß nicht, warum er mir so etwas vorwirft, aber ich habe dir wirklich nicht wehtun wollen. Ich würde dir niemals schaden, Isabella. Aber ich erwarte natürlich nicht, dass du mein Wort über Nicolais stellst.«
Isabella überlegte kurz. »Ist es möglich, dass du dich nicht erinnerst? Bist du dir wirklich all deiner Handlungen bewusst, wenn du das Tier bist? Vielleicht willst du, ohne dass es dir selbst bewusst ist, deinen Bruder mit niemandem teilen? Er ist alles, was du je gehabt hast. Genau wie Lucca alles ist, was ich noch an Familie habe.« Sie sprach mit sanfter, mitfühlender Stimme und kniete sich neben Francesca, um ihrem Bruder über das Haar zu streichen.
Nicolais Schwester schüttelte den Kopf, und ein Anflug von Trotz erschien in ihrem Gesicht. Als sie den Mund öffnete, um zu protestieren, zögerte sie jedoch, und plötzlich malte sich Entsetzen auf ihren Zügen ab. »Ich weiß es nicht, Isabella«, flüsterte sie bestürzt. »Ich weiß es ehrlich nicht. Doch ich glaube nicht, dass es so ist. Es freut mich sehr, dich hierzuhaben. Ich will dich hierhaben!«, bekräftigte sie und schlug die Hände vors Gesicht. »Sollte ich dir jedoch wirklich gefolgt sein, in der Absicht, dir zu schaden, wie Nicolai es behauptet, musst du von hier fortgehen, Isabella. Ich glaubte, Nicolai wäre es, der mit dir zusammen das Tal befreien würde. Doch das Tier ist nicht so stark in mir; die Stimmen sind nur Gewisper, und die Verwandlung überkommt mich selten. Bei Nicolai ist es anders; der Löwe ist viel stärker in ihm.«
Isabella ertrug es nicht, mit anzusehen, wie Francescas Schultern zitterten, als das Mädchen haltlos weinte, und legte tröstend einen Arm um Francesca. »Du weißt es nicht mit Sicherheit. Vielleicht warst du es ja nicht, Francesca. Ein streunender Löwe verfolgte mich im Tal und dann hier im castello . Beide Male spürte ich die Präsenz der bösartigen Entität.«
Francesca versteifte sich, doch dann ließ sie sich in Isabellas Arme sinken und weinte, als bräche ihr das Herz. Über Francescas Kopf hinweg sah Isabella, dass ihr Bruder sich bewegte und mit besorgtem Gesichtsausdruck zu ihnen herüberblinzelte. Auf Isabellas warnendes Kopfschütteln hin schloss er die Augen jedoch schnell wieder. Sie hielt Francesca in den Armen, streichelte ihr Haar und wartete, bis Lucca wieder eingeschlafen war.
»Pst, es ist alles gut, piccola
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