Ungezaehmte Nacht
zu gehen, mit wildem Haar, vor Wut blitzenden Augen und langen Schritten, die seine ganze innere Erregung und seinen Zorn verrieten. Dann blieb er wieder vor Theresa stehen. »So wie du tot warst von dem Moment an, als du Isabella angerührt hast.« Er streckte eine Hand aus, doch diesmal war es eine riesige Pranke mit messerscharfen Krallen, die Theresas Kinn berührten. »Hätte ich sie nicht von meinen Männern bewachen lassen, hättest du sie einem Teufel wie Rivellio ausgeliefert. Du widerst mich an.«
Mit grimmiger Miene drehte er sich zu seinen Wachen um. »Bringt sie auf der Stelle in den Hof! Auf der Stelle!«, befahl er unbeugsam, und alle konnten wieder die orangerot glühenden Flammen in seinen Augen sehen.
KAPITEL ZWANZIG
T heresa schrie und wehrte sich, als die beiden Wachen sie an den Armen packten und aus dem castello in die dunkle Nacht hinauszerrten. Nebelschleier waberten dicht über dem Boden und stiegen von dort zu grauen Schwaden auf. Aufgrund des Schnees, der die Felsen bedeckte, erschien der Hof fast wie ein Friedhof, öde, trostlos, unheimlich und schauerlich.
Isabella wich Don DeMarcos ausgestreckter Hand aus und rannte den Wachen hinterher. »Was hast du vor? Das kannst du nicht tun, Nicolai«, rief sie mit tränenerstickter Stimme über die Schulter zurück.
Auch Violante brach in Tränen aus. »Don DeMarco, bitte überlegt es Euch noch mal! Lasst Gnade walten!«
Sergio, entsetzt über den Zorn des Dons und voller Angst, dass er sich wegen ihrer Beteiligung an der ganzen Misere auch gegen seine Frau richten könnte, versuchte, sie zum Schweigen zu bringen.
Nicolai lief Isabella nach, die an einer der Wachen zerrte, um Theresa zu befreien. Als Nicolai sie am Arm packte und an sich zog, spürte sie, wie Nadeln ihre Haut durchbohrten, was immer ein sicheres Zeichen für die Angriffslust der Bestie war. »Geh in dein Zimmer, Isabella, bis das hier vorbei ist!« Das Feuer in seinen Augen geriet außer Kontrolle, und ein rauer, nichts Gutes verheißender Befehlston lag in seiner Stimme.
Isabellas erster Impuls war es, sich gegen Nicolai zur Wehr zu setzen, doch sie unterdrückte ihn tapfer. Entschlossen verdrängte sie ihre Furcht und ihr Entsetzen und blieb ganz ruhig stehen, um sich zum Nachdenken zu zwingen. Sofort schlich sich eine Erkenntnis in ihr Herz und ihre Seele ein. Hier im Hof, wo Sophia enthauptet worden war und wo nach jedermanns Meinung alles angefangen hatte. Wo Nicolais Vater seine Mutter getötet hatte. Wo die Entität, das Böse, schlief und erwachte und den Hass und die Furcht herbeiführte, die fortwährend Gräueltaten im gesamten Tal anrichteten.
Sie holte tief Luft, zwang sie in ihre Lunge und atmete den unangenehmen, sauren Geruch der Entität ein. Heimtücke. Hass. Etwas von Grund auf Böses . Sie befanden sich auf dem Territorium der üblen Entität, und sie nährte Nicolais Zorn, seine Schwäche und absoluten Glauben daran, dass es sein Schicksal war, die Frau zu töten, die er über alles liebte.
»Wir sind hier draußen nicht allein, Nicolai«, verkündete Isabella und blickte sich nach den anderen um, die ihnen gefolgt waren. Selbst Francesca kam herbeigelaufen, beunruhigt, atemlos und verängstigt von dem Gebrüll ihres Bruders. »Wenn ihr ganz still seid, werdet ihr es spüren«, sagte Isabella zu den anderen. »Der Einfluss des Bösen ist sehr subtil, doch es kann das Aufwallen von Macht nicht verbergen, wenn es uns manipuliert.« Die Nadeln in ihrer Haut krümmten sich, und sie spürte einen heißen Atem im Gesicht und warmes Blut, das ihren Arm hinunterlief und nur dazu diente, die Bestie noch eher herbeizurufen.
»Diese Entität – das Böse – hat alle dazu gebracht, sich anders zu verhalten, als sie es normalerweise getan hätten, indem sie ihre Schwächen ausnutzte. Schwächen, die wir alle haben: Eifersucht, Schmerz, Wut, Misstrauen.« Isabella sah Rolando an. »Stolz. Was sonst würde einen Mann dazu veranlassen, seine Ehefrau einem Todesurteil zu überlassen? Eine Frau, die er liebt? Selbst die arme Sophia, die allem Anschein nach ihre Leute und ihren Ehemann, aber auf jeden Fall ihre Kinder liebte, hätte ihre Familie niemals in alle Ewigkeit verflucht, wenn nicht irgendetwas Böses sie dazu getrieben hätte.« Isabella war allein in ihrem Kampf gegen einen unsichtbaren Feind, der immer mächtiger wurde und sich an ihrer Unzulänglichkeit ergötzte. Sie blickte sich zu den Gesichtern um, die noch kreidebleich waren vor Schreck über Don
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