Ungezaehmte Nacht
DeMarcos Anweisungen. Keiner der Anwesenden schien zu verstehen, was sie ihnen sagen wollte. »Begreift ihr denn nicht? Niemand von uns wäre normalerweise zu diesen Dingen fähig.« Sie bettelte sie förmlich an, sie alle und auch Nicolai.
Francesca kam schnell zu ihr und nahm ihre Hand, um ihre Solidarität zu demonstrieren.
Rolando trat ein paar Schritte auf Nicolai zu. »Meine Frau ist Teil Eurer Familie. Eure Cousine«, erinnerte er ihn. »Soll noch mehr DeMarco-Blut den Boden durchtränken?« Seine Hände waren zu Fäusten geballt.
»Wenn Ihr kein Mitleid mit Eurer eigenen Ehefrau habt, Hauptmann Bartolmei, warum sollte ich als Euer Don Erbarmen mit einer Frau haben, die mich verraten hat?« Don DeMarco schnippte mit den Fingern, und der Wachposten gehorchte und zwang Theresa auf die Knie.
Wieder schrie sie vor Entsetzen, und heiße Tränen rannen über ihre Wangen.
»Das wird nicht geschehen«, widersprach Bartolmei entschlossen, die Hand bereits an seinem Schwert. »Wenn Ihr so begierig nach Blut seid, dann nehmt das meine.«
»Nein!«, protestierte Violante in den Armen ihres Mannes. »Ich bin die Schuldige. Ich habe sie provoziert.«
Solch pure, hemmungslose Wut über die Missachtung seiner Befehle erfasste Nicolai, dass er den Kopf zurückwarf und laut losbrüllte. Das Geräusch veranlasste die Löwen im Tal zu einem antwortenden Brüllen, bis die ganze Nacht erfüllt war von dem Furcht erregenden, primitiven Lärm. Nicolais Leute stieben in alle Richtungen davon, und er wirbelte im Kreis herum und fügte Isabella einen Kratzer am Arm zu, als er sie von sich wegstieß. Sein langes Haar umgab seinen Kopf wie ein goldener Lichthof und fiel ihm in einer wilden Mähne auf Schultern und Rücken.
»Nicolai«, flüsterte Isabella zutiefst bekümmert und verzweifelt. Sie konnte sehen, wie seine kraftvolle Gestalt flimmerte, als der weiße Nebel ihn gierig einhüllte und den Mann verschlang, um das Tier zu entfesseln.
Der Löwe stand in der Mitte des Burghofs, ein prachtvolles Exemplar, riesig und muskulös. Seine Augen glühten vor Kampfeslust und Hunger, was eine mehr als deutliche Warnung an alle noch auf dem Hof Verbliebenen war.
» Dio , es passiert schon wieder! Ich werde die Löwen rufen müssen!«, rief Francesca und schlug die Hände vors Gesicht.
»Nein!« Isabellas scharfe Stimme durchschnitt die Luft wie ein Peitschenhieb. Hocherhobenen Hauptes ging sie langsam auf das sprungbereit am Boden kauernde Raubtier zu. Die Arme hielt sie in einer bittenden Geste rechts und links weit ausgestreckt. »Ich liebe dich, Nicolai. Das Böse wird dich mir nicht nehmen. Wenn du Theresa tötest, haben wir nichts mehr, und das Scheusal weiß das.«
Der Löwe wandte ihr seinen mächtigen Kopf zu, und seine Augen glühten von dem Drang zu töten. Als er weit das Maul aufriss, wurden seine riesigen scharfen Fänge sichtbar. Ein weiteres Brüllen zerriss die Luft, und über ihren Köpfen öffneten sich die dunklen Wolken, um einen heftigen Regen herabzuschicken.
Isabella hob das Gesicht und ließ sich von dem Regen abkühlen und ihre Furcht wegwaschen. Dann schaute sie wieder den Löwen an und erwiderte seinen konzentrierten Blick, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, ihr Mund war wie ausgedörrt, aber tief in ihrem Innersten breitete sich ein wundervolles Gefühl des Friedens aus. »Ich werde dich nicht als das Tier sehen, Nicolai. Ich denke nicht einmal daran.«
Ein Schauer durchlief den mächtigen Körper, und der Löwe kauerte sich noch tiefer auf den Boden und starrte sie ohne ein Zeichen des Wiedererkennens an.
Francesca trat neben Isabella. »Ich werde dich auch nicht als das Tier sehen, Bruderherz.«
Sergio und Violante stellten sich links neben Isabella, und auch sie wandten den Blick nicht von dem geifernden Löwen ab. Das Raubtier schüttelte verwirrt den großen Kopf.
Isabella, die stets sehr empfindlich auf die Bosheit der Entität reagierte, spürte, wie diese sich für den endgültigen Angriff sammelte. Ihr eigentliches Ziel war Nicolai, wie Isabella sehr wohl wusste. Die Entität nährte das Tier in ihm und verstärkte seine natürlichen Instinkte, seinen Hunger und seinen Zorn, bis die Emotionen wild durcheinanderwirbelten und in der Notwendigkeit des Löwen zu töten ihren Höhepunkt erreichten. Da die Entität jedoch ihre ganze Macht auf den Don konzentrierte, musste sie die anderen in Ruhe lassen.
Hauptmann Bartolmei packte seine Frau am Arm und zog
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