Ungezaehmtes Verlangen
sondern standen bloß da.
Benehmen.
Bei wilden Tieren. Wer hätte das gedacht?
»Nehmt bitte Platz. Ich bin gleich zurück.« Sie eilte auf die Küche zu, bevor sie noch die Nerven verlor. Allein bei dem Anblick der Flamingofrau überlief eine Gänsehaut ihren Körper. Was wohl erst geschah, wenn sie versuchte, mit ihr zu sprechen?
Als Kara die Schwingtür zur Küche aufstieß, sah Pink kurz von einem Krug auf, den sie gerade mit Wasser füllte, dann wandte sie sich wieder ihrer Aufgabe zu und beachtete sie nicht weiter.
Kara schluckte. »Pink?«
»Ja, Strahlende?« Die Stimme der Vogelfrau war zwar sehr hoch, klang aber doch irgendwie menschlich. Sie stellte den Wasserkrug ab und wandte Kara ihr Gesicht zu. Ihre Augen …
Karas Kopfhaut kribbelte. Pink hatte große, runde Augen, die nicht menschlich wirkten. Sie zwang sich, den starren Blick zu erwidern. »Ich wollte mich für mein Benehmen gestern entschuldigen. Ich war auf die Begegnung mit dir nicht vorbereitet. Lyon hatte vergessen, mir zu sagen, dass es hier Gestaltwandler gibt.«
Wenn Pinks Blick irgendwie freundlicher war, so konnte Kara es jedenfalls nicht sehen. Sie war sich noch nicht einmal sicher, ob die Vogelfrau sie überhaupt gehört hatte.
Kara zuckte verlegen mit den Schultern. »Ich wollte dir nur sagen, dass es mir leidtut. Ich würde mich freuen, wenn ich einmal etwas für dich tun könnte.« Sie schenkte ihr ein schiefes Lächeln. »Ich bin keine schlechte Köchin.«
Pink sagte nichts und schien ihre Worte überhaupt nicht zu beachten. Selbstmitleid schnürte Kara die Kehle zu. Ihr ganzes Leben war sie von Leuten umgeben gewesen, die sie kannten. Die sie mochten. Sie war vielleicht nicht gerade die Klassensprecherin gewesen oder eine Sportskanone oder ein Genie, aber sie war immerhin beliebt gewesen. Jeder in Spearsville hatte Miss MacAllister gemocht.
Selbst im Haus der Krieger waren die Männer zumindest nett zu ihr gewesen. Aber jetzt schien selbst das vorbei zu sein. Bis auf Lyon hatte sie hier keine Freunde, und obwohl sie wusste, dass er sie begehrte, konnte sie noch nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob er sie auch mochte.
Traurig wandte sich Kara ab.
»Strahlende.«
Kara presste Daumen und Zeigefinger auf ihre geschlossenen Augen, drehte sich wieder um und sah Pinks erstaunten Blick.
»Ich verzeihe dir, dass du bei meinem Anblick die Fassung verloren hast. Das geht den meisten so. Aber ich kann nicht entschuldigen, dass du diejenigen im Stich lassen wolltest, deren Leben von dir abhängt.«
Kara erwiderte den harten Blick der Frau, öffnete den Mund, um abzustreiten, dass sie etwas Derartiges getan hatte, schloss ihn dann jedoch wieder langsam und seufzte.
»Danke, Pink.«
Kara drehte sich um und ging weiter, doch Pinks Worte hallten in ihr wider: … deren Leben von dir abhängt. Stimmte das denn? Ihr Leben ? Lyon hatte zwar gesagt, sie müsse den Thron besteigen, damit sie alle wieder in die Lage kämen, die Gestalt zu wandeln, aber sie mussten sie doch nicht notwendigerweise verändern, oder? Sie hatte nie darüber nachgedacht, was mit ihnen geschehen würde, wenn sie das nicht mehr konnten. Wenn sie weg war.
Als sie wieder durch die Schwingtür trat, erhoben sich die Männer erneut vom Tisch. Offenbar waren ihnen die Manieren so in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie das wie von selbst taten. Doch während die anderen bei ihren Stühlen stehen blieben, kam Wulfe näher und stürzte sich dann auf sie. Sein vernarbtes Gesicht wirkte eiskalt, seine braunen Augen nahmen allmählich einen goldgrünen Farbton an, und die Iris vergrößerte sich wie bei einem wilden Wolf.
»Du kleine, treulose Schlampe!«, fauchte er, und seine Reißzähne wuchsen in die Länge.
Kara wich zurück.
»Wulfe!«, bellte Tighe, doch der Krieger bedrängte sie weiter.
»Wolltest uns einfach so zurücklassen? Ohne dass wir die Gestalt wandeln können? Ist es dir etwa egal, dass dein Volk ohne die lebenswichtige Energie immer schwächer wird und stirbt? Dass niemand mehr da ist, der die Dämonen davon abhält, wieder die Macht zu ergreifen, wenn die Krieger erst mal fort sind? Und dass die Welt, in die du zurückkehren möchtest, im Chaos versinken wird, sollten sie erst befreit sein?«
Kara stand wie angewurzelt da und zitterte.
Aus Wulfes Fingern schnellten Krallen hervor. Er verzog das Gesicht und fletschte die Zähne. » Du bist es nicht wert, dass man dich auserwählt hat.«
Von seinen Worten war sie ebenso geschockt wie von
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