Ungezogen
verdammt, konnte man lernen, wie man diese Dinger benutzte, die dazu gemacht waren, Schmerz zu erzeugen? Wie benutzte man sie, um Vergnügen zu bereiten?
Sie hatte nichts gekauft, nur ihren Tagträumen nachgehangen. Sie ließ Filme in ihrer Vorstellung ablaufen, während sie in der Hauptverkehrszeit in einem Stau steckte oder unter der Dusche stand. Sie steigerte sich in ihre Vorstellungen bis zur Ekstase und bis sie ausweglos geil war.
Mit der Besessenheit eines Teenagers, mit all den Fantasien über ihren Schwarm und dem Wunsch, dass sie wahr würden. Sie wollte, dass es passierte, wollte es heraufbeschwören, damit ihr Körper endlich das erfuhr, gegen das ihr Gehirn sich aufbäumte. Denn so sehr sie sich auch bemühte und ihre Klitoris peinigte und ihren Körper zum Orgasmus trieb, letztendlich blieb sie enttäuscht zurück.
Denn sie brauchte ihn.
Sie steht nackt vor dem geöffneten Kleiderschrank, betrachtet ihre Kleidung und empfindet Bedauern. Sie hätte einen Ledermini kaufen können oder zumindest den Ledertanga. Irgendetwas Nuttiges. Könnte, hätte, sollte. Das hilft ihr jetzt nicht weiter, aber sie will ihm auch nicht - wie sonst - in gewöhnlichen Jeans und Sweater entgegentreten. Nicht nach heute Nachmittag.
Irgendwo unten knallt eine Tür. Schwaches Echo. Schauder jagen über ihre Haut. Sie muss jetzt eine Entscheidung treffen. Sie weiß, dass er ins Schlafzimmer kommen wird, sobald er feststellt, dass sie weder in der Küche, dem Wohnzimmer noch in ihrem Büro ist. Er würde sie finden, denn das war die Botschaft in seinen Augen an diesem Nachmittag gewesen.
Das war es, was sie all die Zeit wollte. Sie macht sich keine Mühe, etwas zum Anziehen zu finden.
Die Badezimmertür öffnet sich. Kalte Luft weht herein und verwandelt jeden Tropfen Wasser auf ihren Armen, den Beinen und ihrem Rücken zu Eis. Seine Schuhe klicken über den Flur, und sie fängt einen Hauch Cologne und Kälte auf. Ihr Magen und alle Nerven in ihrem nackten Hintern verspannen sich. Ihre Schenkel erwachen alarmiert.
Sie fühlt die Hitze seines Körpers. Er steht genau hinter ihr, so nahe, dass der statisch aufgeladene Stoff seiner Kleider sanft die Haare auf ihren Armen kitzelt. Während sie ausatmet, hält sie den Kopf zur Seite. Etwas klirrt. Sie dreht sich ganz zu ihm um.
Die dunklen, scharfen Linien seines Jacketts modellieren seine Schultern wie einen Scherenschnitt aus Papier. Licht fällt auf das Objekt in seinen Händen. Sie schaut nach unten, und ihr Herz beginnt aufs Neue zu rasen.
»Wo ...?« Sie lässt die Frage im Raum stehen, unvollendet, aber er antwortet.
»Nun, nach der Arbeit ...« Er lächelt.
»Was?« Sie sieht ihn an.
Er könnte ihr genauso gut erzählen, wie es auf der Arbeit gewesen war oder wie es der Börse heute erging. Sein Ton ist unverbindlich, so wie jeden Tag.
»Ich möchte uns beim Ficken zusehen. Genau hier.« Er nickt mit dem Kopf hinüber zum Kosmetiktisch. »Vor dem Spiegel. Und ich möchte dich gefesselt.«
Da sie keine Antwort darauf findet, versucht sie es mit einer Frage.
»Und warum?«
Wie dumm von mir, denkt sie, sobald sie die Frage gestellt hat. Aber er grinst. Er lässt Handschellen von einem Finger baumeln, neigt den Kopf und sieht sie schräg an.
»Nach dem kleinen Stunt, den du heute hingelegt hast, musst du festgebunden und gefickt werden.« Er schüttelt den Kopf. »So eine unglaublich dreckige, schamlose kleine Nutte.«
Sie wirft den Kopf nach hinten und lacht. Sie lacht, wie sie seit langem nicht mehr gelacht hat, bis tief ins Zwerchfell. Echtes, volles Lachen. Und es ist ihr egal, wie sprachlos und verärgert und empört sie gewesen wäre, wenn er diese Wörter vor langer Zeit benutzt hätte. Das ist nicht die Frau, die sie jetzt ist, sondern die Frau, die sie war, deprimiert, seit langem.
Er schlingt einen Arm um ihre Taille und zieht sie nah an sich. Ihre Nippel scheuern an seiner Kleidung, und ihre Klitoris schwirrt vor Erwartung. Kaltes Metall baumelt gegen ihren Arsch, als er den anderen Arm um ihre Hüfte legt. Nase an Nase versuchen sie, auf den Fliesen das Gleichgewicht zu halten. Er legt ihr die Bügel der Handschellen um.
Sie denkt daran, ihm heute seine Hose auszuziehen. Sie würde in seinen Augen die Vorfreude erkennen, wenn er ahnt, was sie geplant hat. Was mag er jetzt denken? Was verbirgt sich hinter dem Glanz seiner Augen? Und hinter dem abwesenden Lächeln, als er die Handschellen zuklicken lässt. Eng genug, um ihre Hände nicht daraus
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