Ungleiche Paare
wollte ich wissen. Ob es zum Beispiel an Bord der Queen Mary gelte.
»Aber nein!«, rief er mit volltönendem Lachen aus. »Wir leben von Mesalliancen!« Ein wenig nachdenklicher fügte er an: »Die ganze Welt lebt davon. Meinen Sie nicht auch?«
Tatsächlich entstammte Mary selbst einer unebenbürtigen, sogenannten morganatischen Ehe, auch Ehe zur linken Hand genannt. Sie war also ohne dynastische Rechte geboren und deshalb besonders empfindlich. Bei Kindern und Kindeskindern wollte sie dergleichen nicht aufkeimen sehen. Wie es indessen geht mit Geschehnissen, die man verschweigen oder verhindern möchte: Sie wachsen besonders auffallend empor und leuchten verführerisch. Die Kinder von Marys Enkelin haben, von Charles bis Andrew, die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts mit prachtvollen Mesalliancen gesegnet. Und deren Kinder wiederum tun alles dafür, unsere Zeit mit demselben bunten Stoff zu versorgen. Möge das englische Königshaus niemals verdorren!
Also, wie stellt man den unpassenden Partner vor? Kann man es überhaupt richtig machen? Wie verhielt sich der namenlose Prinz, als er jene Schönheit aufs Schloss brachte, die uns als Aschenputtel bekannt ist?
Sein Vater muss bezaubert gewesen sein. Er wird hastig die Krone zurechtgerückt haben. War auch die Mutter einverstanden? Erste schriftliche Fassungen des Märchens sind im 14. Jahrhundert bezeugt – zu einer Zeit, als Boccaccio und Geoffrey Chaucer in ihren Erzählungen die Ausschweifungen des einfachen Volkes rühmten. Dem inzestuösen Adel, behaupteten diese Poeten, seien Lust und Fortpflanzungskraft abhandengekommen. Also priesen sie in wolllüstigen Geschichten die unstandesgemäßen Verbindungen: Königssohn und Bauernmagd oder Prinzessinund Reitknecht. Man hat sich, soweit wir wissen, nach Vermögen an die Empfehlungen gehalten, wenn auch nur selten offiziell wie bei Haakon und der Raverin Mette-Marit oder umgekehrt bei der Prinzessin von Wales und dem ehrgeizigen Einwanderer Dodi Al-Fayed.
»Je suis celui qui« , erklärte eine Fünfunddreißigjährige namens Françoise, deren Geburtsort eine Haftanstalt gewesen war: »Ich bin diejenige, welche.« Mit diesem Twitterkürzel stellte sie sich dem Hof in Versailles vor. Sie musste es selbst tun, da ihrem Liebhaber, dem vierzehnten Ludwig, die Worte ausgegangen waren. Françoise stammte aus einem Gefängnis in Bordeaux. Dort war sie als Tochter einer mittellosen Mutter zur Welt gekommen. Durch die Schlafzimmer von Paris stieg sie auf bis ins Goldene Kabinett des Throninhabers, wurde schließlich formell anerkannt und zur Marquise de Maintenon geadelt, übernahm beherzt die Regierungsgeschäfte und herrschte fortan glanzvoll wie eine Königin, freilich geschickter.
Hat das auch Aschenputtel getan für ihren offenkundig nicht sonderlich schlauen Prinzen? Musste ihre Schwiegermutter dazu mit einer Prise Bilsenkraut aus dem Weg geräumt werden? Die ursprünglichen Märchenfassungen legen das nahe. Ungleiche Paare müssen mehr Überzeugungsarbeit leisten als Gleich und Gleich.
Als Stéphanie, die feinherbe Prinzessin von Monaco, dem Vater ihren Aschenputto vorstellte, einen Bodyguard, Expolizisten und vielfach bewährten Schläger, soll der vergreiste Fürst lediglich entkräftet abgewinkt und den Wunsch nach einem doppelten Calvados geäußert haben. Er hatte bereits genug erlebt. Die folgenden Verbindungen mit Zirkusdirektoren, Kellnern und Gärtnern haben ihnkaum noch erschüttert. Zumal er, gnädigen Angedenkens, selbst eine Art Bad Boy gewesen war, als er Grace Kelly heimführte.
Denn um dieses Modell handelt es sich hier. Nicht mehr um Edelmann und Bauernmagd, sondern um Bad Boy und Prinzessin. Um den speienden Drachen und die Königstochter. Um das Ungeheuer und die Schöne. Um King Kong und die weiße Frau, wobei übrigens jene weiße Frau ihren Eltern den Affen nicht mehr vorzustellen brauchte; er war hinlänglich bekannt. Esmeralda musste für ihren buckligen Quasimodo in den aufrührerischen Wirren ebenfalls nicht um Erlaubnis fragen. Und Rotkäppchen, die in den frühesten Fassungen des Märchens an der Hand eines wolfshaarigen Mannes stracks in den Wald hüpft, und zwar für immer und mit dem Erbe der Großmutter, hat ihre Eltern rätselnd zurückgelassen. Die Eltern haben dann die warnende Fassung des Märchens in Auftrag gegeben. Vergeblich, denn bis heute fördert es unmoralische Phantasien und Sehnsüchte nach wilden Paarungen.
Als meine Tochter mir ihren
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