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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare
Autoren: Dietmar Bittrich
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»Und dies ... « Hier verstummte ich. Zu der älteren Frau an meiner Seite fiel mir absolut nichts Plausibles ein.

Unvorstellbar
    »Stopp Spiel!«, rief meine Tochter als Fünfjährige, wenn ihr die Jagd durch die Zimmer den Atem nahm oder wenn das Verstecken in der Dämmerung unheimlich wurde. Damals hatte sie noch Angst vor dem schwarzen Mann.
    »Arretêz!« , rief Ernst, der fromme Herzog von Gotha, wenn ihm das Gebet mit der Gemahlin zu schamlos und zu aufreibend wurde, auf den Samtkissen in genau jener Kapelle, die jetzt den ungleichen Paaren geweiht ist.
    Kurzes Einhalten: Wie stellt man seine unpassende Partnerin vor? In diesem Fall Hannah. Und generell: Welche Worte findet man für die Unebenbürtige? Oder für ihn, den zu alten, zu jungen, zu armseligen oder einfach befremdlichen Mann? Wie präsentiert man ihn oder sie den Eltern, Geschwistern, den Freunden, der Peer Group ?
    Wohlmeinenden kräuselt sich schon beim Anblick die Kopfhaut. Nahestehenden stockt womöglich der Atem. Sie schlucken, bevor sie etwas sagen können. Entferntere Zeugen lockern genüsslich das Seil der Guillotine.
    Nicht zu ändern. Wir müssen den unpassenden Partner einführen in die Runde jener, die besser wissen, was passt. Oder die Hände reibend ahnen, dass es auf keinen Fall gutgehen kann.
    »Ich hoffe, mein Lieber«, zischte Queen Mary, »sie ist nur für kurze Zeit deine Geliebte!« Und weil ihr Sohn Edward halsstarrig schwieg, fauchte sie: »Für sehr kurze Zeit!«
    Edward, ihr Ältester, Thronfolger nach dem Tod ihres Mannes, hatte soeben eine Bürgerliche präsentiert, obendrein Amerikanerin, Wallis mit Namen. Der Begriff bürgerlich war schon zu hoch gegriffen. Wallis war eine berauschende Erscheinung, jedoch auf lasterhafte Art. Die im Thronsaal anwesenden Diener haben später über dieses Treffen berichtet, jeder ein wenig anders, doch Wallis erscheint stets als dieselbe: als Inbild verbotener Sinnlichkeit.
    Sie ging in diesem Jahr bereits auf die vierzig zu. Das allein war für die Ehefrau eines angehenden Herrschers des Vereinigten Königreiches und des Commonwealth grundverkehrt. Überdies hatte sie bereits zwei Scheidungen absolviert. Das war nun gänzlich unmöglich.
    »Warum hast du sie überhaupt vorgestellt?«, schnarrte Queen Mary mit ihrem verrauchten Organ.
    Edward antwortete so, wie er es dort gelernt hatte, wo er die angenehmsten Jahre verbracht hatte, beim Militär. Er stellte sich in Pose, als gäbe er den Befehl zur Attacke, und erwiderte schneidend: »Mutter, ich beabsichtige, sie zu heiraten.«
    »Das wirst du nicht tun«, krächzte die Alte.
    »Die Vorbereitungen sind getroffen.«
    »Dann trifft dich Englands Fluch.« Sie hustete dramatisch. »Der Fluch des Königreiches trifft dich. Es trifft dich Gottes Fluch. Mein Fluch!«
    Diese Steigerung war einschüchternd. Doch Edward heiratete. Seine Ehe erblühte zur berühmtesten Mesalliance in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.
    Wallis war ihm von einer scheidenden Geliebten als Ersatz empfohlen worden. Auf den Festen der Gentry hattenGerüchte von ihrer erotischen Wunderbegabung bereits die Runde gemacht. Nun war ihr der Prinz verfallen. Eine seiner ersten Amtshandlungen als König sollte es sein, bei einem Adria-Urlaub die Genehmigung zum Nacktbaden zu erwirken, zumindest für Wallis und himself.
    Es war der einzige Sommer, den er als Herrscher genoss und durchlitt. Zehn Monate nachdem er die Reichsinsignien ererbt hatte, reichte er das Königtum abdankend seinem Bruder weiter, einem gewissen Georg, dem Vater von Elisabeth.
     
    An den heiseren Fluch der Queen Mary erinnerte ich mich, als ich an einem windigen Frühsommertag das Kreuzfahrtschiff besichtigte, das nach ihr benannt worden ist. Das hochseetaugliche Monstrum lag im Hamburger Hafen.
    Ich entsann mich: Mary hatte ihren Sohn des Landes verwiesen, nachdem er die unwürdige Gefährtin geehelicht hatte, mit der er dann sechsunddreißig Jahre verheiratet blieb, bis an sein stilles Ende. Queen Mary hatte sich zeitlebens geweigert, ihn wiederzusehen. Das ist das Risiko unartiger Kinder.
    »Solange mein Name und meine Würde noch etwas gelten, werden Mesalliancen niemals geduldet werden«, hatte Mary verkündet, als ihr Sohn nach Frankreich ausgewandert war. Genau dieses gravitätische Wort zitierte ich dem Cruise Director des Kreuzfahrtschiffes, der für die Gästebetreuung verantwortlich zeichnete. Ob jenes monarchische Wort – keine Mesalliancen! – heute noch Gültigkeit habe,
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