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Ungleiche Paare

Titel: Ungleiche Paare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Bittrich
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gar nicht, wo ich anfangen soll.«
    »Du wolltest Sex ohne emotionale Verantwortung.«
    »Aha, danke.« Das war ein weiterer Nachteil erfahrener Frauen. In jeder verbarg sich eine Therapeutin oder Erzieherin. »Wahrscheinlich hast du wirklich recht«, gab ich vorbeugend zu.
    »Für sie ist es ein bisschen anders. Es gibt kein schöneresKompliment, als von einem jüngeren Mann gewollt zu werden. Das hat einen Verjüngungseffekt.«
    »Apropos Verjüngung, ich setze jetzt wieder die Maske auf«, kündigte ich an. So ganz einfach war das nicht. Ich hatte mir noch nie eine Schleife überm Nacken gebunden.
    »Natürlich ist eine alternde Frau nicht dagegen gefeit, an ihrem Aussehen zu zweifeln«, plauderte sie. »Liegt ja nahe, dass sie sich mit Jüngeren vergleicht. Besonders, wenn sie eine Tochter hat. Der Zweifel wandert immer mit. Hast du was davon gemerkt?«
    »Nein«, antwortete ich wahrheitsgemäß. Ich hatte nicht darauf geachtet.
    »Eine selbstbewusste Frau holt sich, was sie will«, fuhr sie strichelnd fort. »Aber ich weiß nicht, ob Hannah wirklich selbstbewusst ist.«
    Warum erzählte sie das?
    »Grundsätzlich muss eine Frau ab dreißig nicht mehr beschützt werden. Ihr dämmert, dass sie keinen Mann braucht, um sich wertvoll zu fühlen. Sie kann für sich selbst sorgen, in jeder Hinsicht.«
    Jetzt saß die Maske. Ich war nicht mehr zu erkennen. Und nun wurde mir endlich wärmer.
    »Bei Hannah hat dieser Prozess etwas länger gedauert.« Sie tunkte einen Pinsel in den Becher. Aquarell war dran. Die Augenöffnungen der Maske begrenzten den Raum, aber was gerade vor mir lag, konnte ich sehen.
    »Sie ist vorsichtiger als ich«, schwatzte sie weiter. »Während ich in New York war, hat sie ihre Kleinfamilie gehütet. Wahrscheinlich hast du den Schuss Mütterlichkeit an ihr bemerkt. Mochtest du das? Na, ist egal. Je älter eine Frau wird, desto leiser wird das Ticken der biologischenUhr. Sie muss nicht mehr unbedingt auf Nummer sicher gehen.«
    Ich stellte mir vor, wie ich aussah, vollständig nackt, aber maskiert. Womöglich ganz gut?
    »Wenn eine Frau vierzig ist, sind die ersten Ehen ihrer Freunde den Bach runtergegangen«, tönte es von der Staffelei her. »Und jetzt ist sie auf dem sexuellen High. Ihr Ehemann nicht mehr. Nachts liegt sie wach. Tagsüber fängt sie an, die Hintern junger Kerle zu begutachten.«
    Lag es an dieser Schilderung oder an ihrem offenkundigen Desinteresse? Oder an der Maske, unter der die Verlegenheit schwand? Oder einfach am Koffein? Ich fühlte mich wieder gut durchblutet. Ich wollte die Beine etwas weiter öffnen. Mich räkeln. Ich tat es nicht, aber etwas von der inneren Bewegung schwappte zu ihr.
    »Ja, ja, finde deine Position«, sagte sie, ohne weiter Notiz zu nehmen. »Wenn du sie hast, wenn du dich richtig wohlfühlst, können wir noch ein paar Fotos machen, und dann bist du erlöst. Deine Arme wirken noch zu förmlich, wie sie so daliegen. Du musst ja nicht gerade erstarren.«
    Bislang hatte ich die Arme auf den Lehnen ruhen lassen.
    »Bist du Rechtshänder? Dann nimm zur Probe den linken Arm runter und lass die Hand auf dem Oberschenkel liegen.«
    Es fiel eigentümlich schwer.
    »Die Beine kannst du allmählich etwas weiter auseinandersetzen. Nicht spreizen, einfach lockerer stellen.«
    Ich gehorchte. Durch das offene Fenster floss die Luft weich herein und strich über den Körper. Ich bog den Kopf zurück und sah ins stille Septemberblau.
    »Oh«, sagte sie überrascht. »Das sieht jetzt gut aus. Bleib so! «
    Das war nicht einfach. Doch auf geheimnisvolle Weise war es aufregend, weil ich sie nicht mehr im Auge behalten konnte. Ich sah nur den Himmel, und sie sah auf mich, ohne dass ich den Blick einschätzen konnte. Bei ihrer tänzerischen Barfüßigkeit würde ich kaum ihren Schritt hören, falls sie kommen wollte. Das war herrlich beunruhigend. Ich war ausgeliefert. Die Vorstellung beschleunigte den Puls.
    »Seit ich dreißig war, habe ich jüngere Liebhaber gehabt«, berichtete sie. An der Stimme hörte ich, dass sie gleichmütig bei ihren Skizzen blieb. »In Soho und Tribeca war das bei den Malerinnen völlig selbstverständlich. Robbing the cradle, so nannten sie es. Das Baby aus der Wiege klauen. Es war eine Art Wettbewerb. Nein, nein, du bleibst jetzt so!«
    Ich hatte mich geringfügig bewegt, um den überstreckten Hals zu lockern. Der gewaltige Schnabel der Maske ragte steil nach oben.
    »Junge Männer wissen nicht, was sie tun, aber sie tun es die ganze Nacht,

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