Unglückskeks - Angermüllers achter Fall
Kommissar eher an eine HollywoodgröÃe denken als an einen Bankmenschen aus Bad Schwartau.
»Da steht ja etwas auf der Rückseite«, bemerkte Westhoff und besah sich die Schriftzeichen genauer. Dann reichte er die Hülle mit einem angedeuteten Lächeln an die Beamten zurück.
»Ich habe zwar einige Zeit in Shanghai gelebt, aber so weit reichen meine Chinesischkenntnisse denn doch nicht, dass ich Ihnen beim Ãbersetzen helfen könnte. Bedaure.«
»Immerhin erkennen Sie das als chinesische Zeichen, das ist doch schon eine Menge«, äuÃerte Angermüller. »Und von Shanghai sind Sie hierher nach Bad Schwartau gekommen? Das sind ja wirklich Welten. Wo gefälltâs Ihnen denn besser?«
»Beides hat seine Vorzüge. Aber ich stamme von hier, insofern war der Kulturschock beim Zurückkommen nicht ganz so groÃ. Höchstens die südchinesische Küche, die vermisse ich manchmal hier oben.«
Trotz seiner jovialen Art konnte der Mann einen Anflug von Arroganz nicht verbergen, stellte Angermüller fest. In seiner Weltläufigkeit fühlte er sich hier bestimmt unterfordert. Von Shanghai nach Bad Schwartau, war das nun ein Auf- oder Abstieg?, überlegte der Kommissar, oder vielleicht ein Ausstieg, zurück in die Beschaulichkeit der Heimat?
»Gut, Herr Westhoff«, nickte er, »könnten Sie so freundlich sein, uns eine Liste der Kunden Ihrer Filiale zusammenstellen, die asiatischer Herkunft sind?«
»Wenn Sie glauben, dass Ihnen das weiterhilft, machen wir das natürlich gerne.«
»Ob es weiterhilft, weià man vorher leider nie.«
»Wann möchten Sie die Aufstellung denn haben?«
»Wenn Sie mich so fragen: sofort.«
»Bitte, sehr gerne. Dauert ein paar Minuten.«
Die Beamten nahmen vor dem Kundentresen Platz, wo sie tief in den Polstern eines Ledersofas versanken. Anja-Lena meldete sich auf Angermüllers Handy und gab durch, dass es sich tatsächlich um chinesische Schriftzeichen auf der Visitenkarte handelte.
»Sie bedeuten soviel wie âºdas kleine Hausâ¹, sagt Steven.«
»Steven? Ich dachte, dein Sprachlehrer ist Chinese.«
»Ist er auch. Aber das ist wohl modern dort, sich einen englischen Vornamen zu geben. Eigentlich heiÃt er Li Cheng, also Li mit Nachnamen.«
»Na gut, vielen Dank, Anja-Lena. Schaun wir mal, was wir mit den Schriftzeichen anfangen können.«
»Ich fahr jetzt gleich mit Norbert nach Reinfeld. Da gibtâs auf jeden Fall schon mal zwei chinesische Restaurants. Und vielleicht ist ja eines davon in einem besonders kleinen Haus.«
Kapitel IV
»Was für eine Sauerei!«
Mit spitzen Fingern sammelte Marlene die Scherben auf und ärgerte sich über sich selbst. Das kam davon, wenn man immer alles gleichzeitig machen wollte. Sie hatte eigentlich vorher gewusst, dass es nicht gut gehen konnte. Am rechten Arm baumelte ihre prall gefüllte Handtasche, links balancierte sie einen Karton mit Weinflaschen und hielt eine Tüte Brötchen in der Hand. Gleichzeitig schloss sie die Haustür auf. Als sie es endlich geschafft hatte und in die Diele trat, rutschte ihr der Karton aus dem Arm und knallte auf den SteinfuÃoden.
»Verdammter Mist!«
Kurz vor dem Markt hatte Marlene einen netten kleinen Weinladen entdeckt. Sie hatte ihre Lieblingssorten Nero dâAvola und Negroamaro probiert und einige Flaschen davon erstanden. Diese vollmundigen Italiener hatten einen fast blauschwarzen Farbton, liefen jetzt über den Terrazzoboden und zierten ihre weiÃen Turnschuhe und die helle Hose mit ein paar unschönen Spritzern, was ihre Laune nicht gerade besserte.
Sophie, momentan ohnehin sehr schreckhaft, hatte kurz aufgeschrien, als das Missgeschick passierte, und sich, ohne zu protestieren, von Marlene in den Rollstuhl setzen lassen. Dann war sie hinters Haus in den Garten gerollt. Es war zwar rührend und bewundernswert, wenn Sophie sich nützlich machen wollte, doch praktisch war es eher Hindernis als Hilfe.
»Ich muss jetzt erst einmal in Ruhe diesen Schweinkram hier beseitigen, mein Schatz. Wir essen sofort, wenn ich fertig bin, ja?«
Zwei von den sechs Flaschen waren heil geblieben, wenigstens eine von jeder Sorte, dachte Marlene ergeben. Endlich waren alle Spuren verschwunden, es roch nur noch wie in einem Weinkeller, und Marlene stellte auf einem Tablett einen kleinen Mittagsimbiss zusammen, damit sie drauÃen essen konnten. Das
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