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Unguad

Unguad

Titel: Unguad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Werner
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ziemliches
Labyrinth da unten sein. Viele Gänge, die in einer Sackgasse enden. Oder auch
einer, der bis zur Rott hinunterführt. Vor Jahrhunderten erdacht von listigen
Bauherren. Bei Gefahr konnten sich die Schlossbewohner in Sicherheit bringen.
Andererseits sollten sich die Feinde in dem Gewirr verirren und elendiglich
sterben. Die beiden haben mich übrigens einen kleinen Blick in den Gang werfen
lassen. Schon gruselig. Grob behauene Felswände, an denen jede Menge Spinnweben
hängen, fest gestampfter Lehmboden, und es ging sofort ziemlich steil bergab.
Ohne sachkundigen Führer kann man sich heutzutage nicht hineintrauen. Aber
Linus wird noch erstklassig vorbereitet, keine Angst«, meinte sie mein Mutterherz
beruhigen zu müssen.
    »Am Ende erreicht man den Keller der Bücherei. Dort war früher ja
das Gefängnis, wo die armen Kreaturen auf ihre Hinrichtung warten mussten.
Inwieweit sie auch die Köpfstatt in die Tour aufnehmen wollen, weiß ich nicht.
Und dein Linus macht mit! Ist das nicht spannend? Da hat er gleich den
Ferienjob, den er gesucht hat. Für so einen jungen Kerl gibt es doch keinen
besseren.« Für Isabell war alles in bester Ordnung.
    Ich war allerdings ein wenig verschnupft, dass ich von den Plänen meines
Sohnes erst von meiner Freundin hören musste. Na warte!
    »Davon hab ich aber noch nichts in der Zeitung gelesen.«
    »Das ist bis jetzt auch ganz geheim. Wahrscheinlich hat Linus
deswegen geschwiegen«, versuchte mich Isabell zu trösten. »Soll als Knalleffekt
erst beim Lampionfest verkündet werden. Das wird eine Wucht!« Sie klatschte in
die Hände.
    Nun, wir ratschten noch über dies und das. Aber langsam wurde es uns
draußen doch zu kalt. Ich war ob der vielen Aufregungen der letzten Zeit auch
ziemlich matt. So brachen wir auf und umarmten uns zum Abschied.
    »Bis übermorgen!«, rief mir Isabell fröhlich hinterher.
    »Ja, bis übermorgen«, wiederholte ich mit weit weniger Elan. Im
Stillen dachte ich mir: Wir werden sehen, was bis dahin noch alles passiert.
    Neunzehn Uhr fünfzig
    Herr von Markovics diskutierte mit seiner Frau über das heutige
Fernsehprogramm. Zur Auswahl standen eine deutsche Liebesromanze von 1956 und
eine Tanzshow. Gerade schien sich abzuzeichnen, dass sie sich für die Show
entscheiden würden, da bemerkte Tibor, der in Richtung Tür saß, dass sich diese
vorsichtig öffnete. Erstaunt erkannte er seinen Enkelsohn, der wie ein Dieb
hereinschlich.
    »Linus, was machst du hier um diese Zeit?«
    Sofort drehte sich Magdalena um. »Linus, wie schön.« Sie lächelte ihn
liebevoll an.
    »Hallo.« Ihr Enkel hatte die Tür leise wieder zugemacht und stand
etwas unschlüssig im Raum.
    »Ist denn die Eingangstür nicht längst abgeschlossen?«, fragte
Tibor.
    »Erst um acht.«
    »Und was willst du hier?« Linus war ihm immer noch eine Erklärung
schuldig.
    Er kam näher und sprach so gedämpft, wie es bei zwei schwerhörigen
Großeltern möglich war: »Ich möchte heute Nacht hierbleiben.«
    Die beiden Alten waren irritiert.
    »Aber warum denn?«, fragte sein Opa ebenso leise zurück.
    »Ich will später was nachschauen.«
    »Und was?« Bis jetzt war Tibor noch nichts verständlich.
    »Ich möchte beim Hecker ein bisschen rumspionieren. Vielleicht finde
ich da ja was.«
    »Was willst du um Himmels willen finden?«
    Linus zuckte mit den Achseln. So ausgereift schien sein Plan nicht
zu sein. »Irgendwas, womit ich ihn erpressen kann.«
    »Kind, warum denn das?« Tibor war entsetzt. Magdalena verstand
sowieso gar nichts.
    »Weil er der Anna an die Wäsche will, und das muss ich verhindern!«
Entschlossen starrte der Junge seine Großeltern an.
    Von Markovics schüttelte den Kopf. »Jetzt kommt gleich die
Abendschicht mit der Medizin für die Nacht, und da …« Mehr konnte er nicht
sagen. Draußen vor der Tür waren Schritte zu hören. Linus schob geschwind die
Tür des Badezimmers zur Seite und verschwand darin. In diesem Augenblick
öffnete sich auch schon die Zimmertür, und Schwester Sieglinde kam mit einem
Tablett herein. Auf diesem waren kleine durchsichtige Plastikgläschen mit
allerlei bunten Pillen aufgereiht.
    »Guten Abend, Herr und Frau von Markovics, hier ist Ihr
Betthupferl.« Sie stellte einen Becher vor Tibor hin. Keiner der beiden zeigte
eine Reaktion.
    »Ist alles in Ordnung?« Sie schaute prüfend von einem zum anderen.
    Tibor hatte sich als Erster gefasst. »Ja, ja, Schwester. Wir haben
nur gerade nachgedacht, wann wir den Spielfilm das letzte Mal gesehen

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