Unguad
alten Damen saßen wie üblich in
der Eingangshalle und hielten Wache. Ich grüßte sie, aber sie beachteten mich
dieses Mal überhaupt nicht. Ihre gesamte Aufmerksamkeit wurde von Kommissarin
Langenscheidt eingenommen, die mit Kommissar Braun und zwei anderen Polizisten
vor Frau Imhoff stand. Gleich ein ganzes Polizeiaufgebot. Das war wirklich
interessant. Ich stellte mich neben die Damen und hörte zu.
»Zeigen Sie meinen Kollegen bitte den Computerraum und die
Poststelle. Wir brauchen alle Unterlagen der letzten Wochen. Es wird doch wohl
hoffentlich vermerkt, wer wann den Computer benutzt, oder?«
»Natürlich. Wir führen eine Liste«, gab Frau Imhoff mürrisch
Auskunft. »Was suchen Sie denn?«
»Das werden Sie zum gegebenen Zeitpunkt schon erfahren. Ich nutze
wieder Ihr Büro. Vielen Dank.« Frau Kommissarin Langenscheidt war heute noch
resoluter drauf als sonst. Der Heimleiterin hatte es die Sprache verschlagen.
Ich konnte jedoch noch reden. Ich trat geschwind dazu, und nach dem Motto
»Frechheit siegt« sagte ich: »Guten Morgen! Haben Sie denn neue Erkenntnisse?«
Die Kommissarin drehte sich um und ihr grüner Stahlblick traf mich.
»Wir wissen jetzt, woran Elvira Böhm gestorben ist.«
Wow. »Und woran?« Wir trauten uns fast nicht zu atmen.
»Sie werden sicherlich dafür Verständnis haben, dass wir dies zum
jetzigen Zeitpunkt noch nicht an die Öffentlichkeit geben.« Sie winkte ihren
Braun zu sich und schloss die Zimmertür von innen.
Okay. Dann nicht.
Die beiden Polizisten forderten Frau Imhoff auf, ihnen die
gewünschten Orte zu zeigen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als Folge zu
leisten.
Ich blickte zu den alten Damen. Aber sie waren schon wieder zur Tagesordnung
übergegangen. Die eine hatte ihr Strickzeug hervorgeholt, die andere die Augen
für ein frühes Nickerchen geschlossen, und die übrigen schauten durch die
gläserne Eingangstür, ob denn jemand Neues käme.
Ich seufzte und begab mich zu meinen Eltern.
Als ich am Schwesternzimmer vorbeikam, sah ich Schwester Marion, die
etwas in eine Patientenakte eintrug. Wie immer war sie das Abbild einer
perfekten Altenpflegerin. Ordentlich frisiert, in einem sauberen, gebügelten
fliederfarbenen Kittel, die Füße mit den tadellosen Feinstrümpfen in weißen
Arztschuhen. Ich nahm mir ein Herz und sprach sie an.
»Guten Morgen, Schwester Marion.«
Sie sah langsam auf. Kein Begrüßungslächeln. »Guten Morgen, Frau
Schneider. Heute schon so früh?«
»Ja, mein Vater hat mich angerufen. Mal schaun, was er will.«
Sie nickte und wandte sich wieder ihrer Schreibarbeit zu.
»Was ich Sie noch fragen wollte …«
»Ja?«
»Haben Sie morgen Abend Dienst?« Gleich mal die erste Ausrede
ausschalten.
Sie horchte auf. »Nein. Wieso?«
»Morgen machen wir ein kleines Grillfest, und da wollten wir Sie
fragen, ob Sie vielleicht auch Lust hätten zu kommen.«
Sie zögerte. Ich merkte, dass sie sich herauswinden wollte. Es
schien ihr unangenehm zu sein. Bevor sie antworten konnte, schob ich nach: »Wir
sind der Meinung, dass Sie sich so gut um meine Eltern kümmern. Da wollten wir
uns einmal erkenntlich zeigen.«
»Ich tue doch nur meine Arbeit.«
Ich sah schon, da musste ich härtere Geschütze auffahren: »Mein Mann
sagte, er würde sich riesig freuen, wenn Sie Zeit hätten. Er meinte, dann
könnten Sie sich in Ruhe unterhalten.«
Zweifelnd schaute sie mich an und versuchte in meinem Gesicht zu lesen.
Doch da ich mein Pokerface aufgesetzt hatte und mir die Sache wirklich sehr
ernst war, sah sie nur eine freundliche, harmlose Ehefrau.
»Nun gut. Ich komme gerne.« Sie ließ sich darauf ein. Ha! »Um wie
viel Uhr soll ich bei Ihnen sein? Kann ich etwas mitbringen?«
»Nur sich und gute Laune. Keine Sorge, es ist ganz zwanglos. Also
dann, bis morgen um zwanzig Uhr. Wir freuen uns.«
Schnell hinaus, bevor meine Maske in sich zusammenfiel. War das
anstrengend! Agentin wäre nichts für mich.
Aber jetzt weiter zu meinen Eltern. Da erwartete mich die nächste
Überraschung. Herr Szabó war zu Besuch. Das war um diese Zeit ungewöhnlich,
denn es verstieß gegen den guten Ton des Hauses, die anderen Bewohner vor zehn
Uhr aufzusuchen.
Er schaute nicht gut aus. Es kam mir so vor, als wären seine
gelbstichigen Augen heute noch gelber. Seine Hautfarbe hatte auch diesen
ungesunden Touch.
»Hallo, Herr Szabó. Wie geht es Ihnen denn?«
»Ah, Szabóné, nem jól .« Er reichte mir
eine schlappe Hand. »Ich bin immer müde in letzte Zeit. Wird wohl
Weitere Kostenlose Bücher