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Unguad

Unguad

Titel: Unguad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Werner
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zwischen fast geschlossenen Lippen
hervor. »Was geht Sie das an?«
    »Nun, im Grunde nichts. Aber ich habe sie gefunden, als sie tot in
der Abstellkammer gelegen ist, und da mach ich mir halt so meine Gedanken.«
    »Selber schuld«, rotzte er mir hin.
    Ich versuchte höflich zu bleiben. »Können Sie sich denn vorstellen,
warum der Béla Szabó die Elvira umgebracht hat?«
    Hecker lachte auf. Abstoßend. »Der Alte war scharf auf sie, und als
er nicht bei ihr landen konnte …« Er fuhr sich mit seiner rechten Hand über die
Kehle.
    »Das halte ich nicht für sehr wahrscheinlich.«
    »Glauben S’ doch, was S’ wollen.« Er wollte sich umdrehen, ich
packte ihn am Ärmel. Nur einen Augenblick, denn es gruselte mich vor ihm. Aber
es hatte genützt. Er schaute mich wieder an. Sein penetrant nach Moschus
riechendes Rasierwasser stieg mir in die Nase und verursachte mir beinahe
Brechreiz.
    »Sie haben ihr an dem Morgen, an dem sie gestorben ist, einen Zettel
gegeben. Was wollten Sie von ihr?«
    Hecker glotzte mich stumm an. Ich konnte nicht länger in diese
seltsam leeren Augen schauen und senkte den Blick. Trotzdem redete ich weiter:
»Wollten Sie sich wieder mit ihr verabreden? In der Abstellkammer?«
    Das wütende Schnaufen meines Gegenübers ließ mich alarmiert
aufblicken. Sein Gesicht war wutrot angelaufen. Auf seiner Stirn drückte sich
eine dicke Ader durch die sommersprossige Haut. Jetzt muss ich standhalten,
durchfuhr es mich, und ich straffte meinen Rücken. Nach kurzer Überlegung
wandte er sich brummend ab. Ich konnte meinen Mund aber immer noch nicht
halten. Irrwitzig mutig rief ich ihm hinterher: »Ich möchte Ihnen nur noch den
Rat geben, sich von den Praktikantinnen im Heim fernzuhalten.«
    Uh, das hätte ich nicht sagen sollen. Das war ein Fehler. Mit
knirschenden Schuhsohlen fuhr er herum und stieß seine spitze Nase
habichtsartig zu mir herab. »Hä?«
    »Lassen Sie sie in Ruhe.« Ich versuchte seinen Blick eisern zu
erwidern.
    »Wer – hat – denn – was – gesagt?«, zischte er mir ins Gesicht.
    »Das wissen Sie selbst wohl am besten.«
    Nur mit Mühe hielt er seinen Zorn im Zaun. »Hau ab! Verdammt!«
Hecker versetzte mir einen Stoß, sodass ich nach hinten gegen die Mülleimer
taumelte. Ich konnte mich gerade noch am Griff der blauen Papiertonne festhalten.
Er hastete zu seinem Mofa. Die Tüte in die Seitentasche werfen, aufsitzen,
anlassen und mit stinkendem Auspuff davonbrausen war eins.
    Ich rappelte mich auf. Karin, Karin, ob das ein Nachspiel haben
wird?
    Vierzehn Uhr
    Das dachte ich mir dann auch, als ich beim Zwiebelschneiden
geheult, mich am Kochtopf verbrannt hatte und mir beinahe beim Gurkenhobeln die
Fingerkuppe gekürzt hätte. Ich war mit meinen Gedanken bei diesem unseligen
Gespräch und nicht beim Kochen. Aber nun konnte man nichts mehr ändern.
    Ich musste nach vorne blicken. Deshalb bereitete ich mich für den
Besuch bei Béla Szabó vor. Was zog man ins Gefängnis an? Ich entschied mich für
ein konservatives graues Kostüm. Und wie sich jetzt zeigte, war das intuitiv
die richtige Wahl gewesen, denn mit mir warteten noch zwei Damen in ähnlichem
Outfit auf Einlass. Allerdings trugen diese Aktentaschen und schienen mir
Rechtsanwältinnen zu sein.
    Als ich endlich in dem kargen Raum, der wohl das Besucherzimmer der
Justizvollzugsanstalt war, saß und auf Herrn Szabó wartete, war ich von der
Situation doch betroffen. Eigentlich machte die JVA von außen einen ganz
guten Eindruck. Mitten in der Stadt gelegen, fiel sie neben den anderen hohen
Gebäuden bei flüchtigem Betrachten gar nicht so auf. Aber die zweifach vergitterten
Fenster, die vielen Türen, die vor und hinter mir auf- und zugeschlossen
wurden, die Sicherheitskontrolle, die ich am Anfang über mich ergehen lassen
musste, all das machte auf mich keinen beruhigenden Eindruck. Im Gegenteil. Ich
fühlte mich, als ob ich in Gefahr wäre. Meine Hände waren kalt und klamm. Ich
hatte mit allen Mitleid, die hier vielleicht ungerechtfertigt drinsaßen und
nicht wussten, was auf sie zukam. Mitleid mit dem Béla Szabó.
    In dem Zimmer hätten zwar mehrere Besucher mit ihren Angehörigen
Platz gehabt, aber jetzt befand ich mich alleine hier. Wir hätten eine halbe
Stunde Zeit, sagte mir der Mitarbeiter der JVA , der mich hierher
geleitet hatte. Nun wartete ich und schaute an der dürren Topfpflanze und den
Gittern vorbei in den Himmel. Die Tür ging auf, Béla Szabó wurde
hereingebracht, zu meinem Tisch gerollt. Der

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