Unguad
Tabakkrümel von der Zunge. »Dem Flo sein
Lieferant ist tot. Jetzt kommt er nicht mehr ran. Er hat’s letztens selber
versucht, aber sie hätten ihn fast erwischt. Außerdem war abgesperrt und
einbrechen wollt er dann doch nicht. Er schaut, ob er ‘ne andere Quelle auftun
kann. So ein Mist! Übermorgen schreiben wir Physik!« Zornig warf er seine
halbgerauchte Zigarette auf den Boden und drehte mit der Sohle die Glut aus.
Die beiden anderen schauten zu. Tobi schlug Julian auf die Schulter.
»Kann man nichts machen, Alter. That’s life. Musst
halt zu Linus seiner Mutter gehen. Die macht so Entspannungszeugs. Nix für
unguad, gell?« Damit grinste er Linus frech an. Der ignorierte ihn. Stattdessen
sagte er zu Julian: »Jetzt versteh ich das, Mann. Der Flo hat die Tabletten aus
dem Altenheim, von der Elvira. Die war seine Cousine und die ist tot.
Stimmt’s?«
»Keine Ahnung. Der hat mir nie verraten, wo er das Zeug herhat. War
mir auch wurscht. Hauptsache, die haben gewirkt und der Preis war okay.«
Linus ging darauf nicht ein, sondern redete einfach weiter. Mehr zu
sich selbst, als es den anderen erklären zu wollen. »Deshalb war der auch im
fünften Stock! Der wollt nachschauen, ob die Elvira was versteckt hat oder ob
er selber in den Medikamentenraum kommt. Ist der bescheuert!«
Seine Freunde zuckten mit den Schultern. »Ja, und?«
Linus blickte sie an. »Nix. Passt schon. Ich muss los. Wir sehen
uns.«
»Klar, Mann.«
Zweiundzwanzig Uhr dreiundvierzig
Mit Mühe hielt ich meine Augen offen. Das Buch, das ich gerade
las, war auch nicht dazu angetan, mich abzulenken. Ich wollte jedoch unbedingt
heute Abend noch mit Martin reden. Aber er kam und kam nicht nach Hause.
Endlich hörte ich die Tür von der Garage ins Schloss fallen. Die
typischen Geräusche, Jacke, Schuhe, Schlüsselbund. Da war er.
»Du bist ja noch wach!« Er hatte mich auf der Couch entdeckt.
»Ja. Hast du es darauf angelegt, so spät heimzukommen, damit ich
schon schlafe?« Oh Karin, Karin, kein guter Anfang für ein vernünftiges
Gespräch. Dementsprechend schenkte er sich die Antwort. Stattdessen warf er
einen neugierigen Blick in den Kühlschrank.
»Es ist noch was von der Lasagne da. Mittleres Fach.« Ich war ihm in
die Küche gefolgt. Friedensangebot.
Fragte ihn: »Hast du nichts gegessen?« Weniger friedlich. Es war
ungerecht, dass er essen konnte, so viel er wollte, ohne dicker zu werden.
»Doch, doch.« Er setzte sich mit der Auflaufform an den Küchentisch,
schenkte sich ein Glas Rotwein ein und hielt mir fragend die Flasche hin. Ich
schüttelte den Kopf.
»Wo warst du denn?« Genervter Unterton.
»Was meinst du, wo ich war? Heute ist Montag.« Er steckte sich einen
Bissen in den Mund.
Ich überlegte. Oh, sicher, der Lions-Club! »Du warst bei den Löwen?«
Er brummelte zustimmend und aß weiter.
»Wo bist du dann heute Nachmittag gewesen, so um drei?« Beginn der
Inquisition. »Ich war da, aber du nicht.«
Er betrachtete mich nachdenklich über sein Weinglas hinweg. »Ja, ich
hab von Frau Hasreiter schon gehört, dass du mich besuchen wolltest.« Trank.
Schluckte. »Ich war bei einer Besprechung.« Nächste Gabel voll Lasagne.
»Bei was für einer Besprechung?«
»Seit wann interessierst du dich für meine Arbeitstermine?«
»Nur so.« Ich setzte mich.
»Nichts Besonderes. Allerdings kann ich darüber jetzt noch nicht
reden. Vielleicht in ein paar Tagen.« Er sah mich an. So neutral. So
unaufgeregt.
»Das hört sich aber verdächtig an.« Ich schob meinen Unterkiefer
nach vorn.
Er lachte. »Verdächtig? Karin, du weißt doch, dass ich der
ärztlichen Schweigepflicht unterliege, und die gilt auch gegenüber Ehefrauen.«
Jetzt kam er mir damit! Okay, dann sagte er halt nichts. Ich würde
schon noch dahinterkommen.
»Was sind das eigentlich für Tabletten, die du bei Frau Hasreiter
abgegeben hast?«
Ach ja, die Tabletten.
Der Szabó! Davon wusste Martin ja noch nichts. »Die Langenscheidt
hat heute den Szabó verhaftet! Wegen Mordes an der Elvira! Wahnsinn, oder?«
»Ja, das hab ich auch gehört.«
»Woher?«
»Von Schwester Marion.«
»Wieso denn von der Schwester Marion?« Jetzt schlug’s aber dreizehn.
Er zögerte kurz. »Ich hab sie zufällig getroffen.« Steckte sich
ungerührt den nächsten Bissen in den Mund.
»Warum triffst du die zufällig? Und wo?«
»Karin, was soll die Fragerei? Hast du ein Problem damit, dass mir
Schwester Marion begegnet ist und ich mit ihr geredet habe?« Jetzt war auch
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