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Unguad

Unguad

Titel: Unguad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Werner
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Schneider, einverstanden. Aber ich schaffe es erst um
einundzwanzig Uhr. Ist das schon zu spät für Sie?«
    »Nein, kein Problem. Oh. Eine Frage noch. Kann ich den Herrn Szabó
besuchen?«
    »Das ist nicht so einfach. Sie brauchen dazu die schriftliche
Erlaubnis des Haftrichters oder der Staatsanwaltschaft. Darf ich fragen, warum
Sie ihn aufsuchen möchten?«
    »Warum? Er ist ein Bekannter meiner Eltern – und auch von mir. Wir
machen uns Sorgen.« Ich merkte, dass diese Argumentation nicht überzeugte.
»Außerdem haben Sie erwähnt, dass er noch kein Geständnis abgegeben hat.
Vielleicht erzählt er mir etwas.«
    »Und Sie erzählen es uns?« Ich konnte ihr süffisantes Lächeln direkt
hören.
    »Unter Umständen kann ich ihn dazu bewegen, dass er mit Ihnen
darüber redet. Es wäre doch einen Versuch wert, oder?«
    »Nun gut. Probieren wir es. Besuchszeiten sind ab vierzehn Uhr.
Melden Sie sich in der JVA am Einlass, ich kümmere mich um die Formalitäten. Schönen Tag.«
    »Danke. Bis morgen.« Zufrieden legte ich auf.
    Vermutlich wundern Sie sich, warum ich so impertinent, geradezu
aufdringlich war. Na, eigentlich wollte ich sie beim Grillfest dabeihaben,
damit auch sie Martin mit Schwester Marion sieht. Sie hätte ja dann ihre
beruflich geschulte Einschätzung abgeben können. Kindisch? Ja, ich gebe es zu,
manchmal habe ich unreife Züge. C’est ça! Und als das
nicht klappte, wäre es mir unhöflich erschienen, wenn ich die Einladung nicht
verschoben hätte. Fand ich. Außerdem war sie mir wirklich sympathisch, und ich
wollte gerne mal wieder mit jemandem über unser altes Viertel ratschen. Nun ja,
morgen dann.
    Neun Uhr fünfzig
    Bis zu meinem Besuch in der JVA hatte ich noch genug
Zeit, einzukaufen und mich um das Mittagessen zu kümmern. Ich musste
irgendetwas vorbereiten, das im Ofen auf meine ausgehungerten Kinder warten
konnte. Schließlich war ich schon auf dem Weg nach Passau, wenn sie aus der
Schule kamen. Und ich durfte nicht vergessen, ihnen einen Zettel zu schreiben,
damit nicht erneut ein verzweifelter Anruf von Vicky kam.
    Ich hatte mich für Gulasch – auf Ungarisch heißt es Pörkölt –
entschieden. Das konnte gut wieder aufgewärmt werden. Dazu Spätzle und
Gurkensalat mit Sauerrahm. Also zum Metzger. Ich ging gerne dort einkaufen. Sie
hatten gute Qualität, seit Neuestem auch Fleisch aus biologischer Aufzucht.
Früher hatten meine Eltern immer hier ihre Wurst- und Fleischwaren geholt. Mein
Vater hatte mit der Metzgersfrau öfter Rezepte ausgetauscht. Ungarisch gegen
bayerisch. Deshalb fragte sie mich auch hin und wieder nach meinen Eltern. Ich
fand sie sehr nett.
    Mit dem gut eingepackten, schon gebrauchsfertig geschnittenen
Wadschenkel verließ ich soeben den kühlen Laden, als ich fast mit dem Hecker
zusammenstieß. So ein Schreck! Beinahe hätten wir uns berührt. Er war mir
einfach zu unangenehm.
    »Hallo, Herr Hecker.«
    »Hallo.« Er blickte schräg zur Seite und wollte schnell an mir
vorbei. Wir waren uns einig. Ich wollte nur weg von ihm.
    Als ich aber meine Einkäufe im Auto verstaut, mich hineingesetzt und
schon angeschnallt hatte, hielt ich inne. Du Feigling, schimpfte ich mit mir.
Jetzt läuft er dir schon über den Weg, da kannst du ihn auch auf die Elvira
ansprechen und vielleicht auf die anderen Sachen. Na los.
    Ich seufzte tief und stieg wieder aus. Mit den Händen in den
Hosentaschen stellte ich mich vor die gläserne Eingangstür und sah hinein. Er
war mit seinem Einkauf schon fertig und stand an der Kasse. Dabei schaute er
zufällig aus dem Fenster und sah mich. Wandte prompt den Blick ab. Kramte in
seiner Geldbörse, zahlte, nahm seine kleine Tüte. Den Kopf gesenkt, stürmte er
mit ausholenden Schritten seiner langen Beine nach draußen, wollte an mir
vorbei.
    »Herr Hecker. Einen Moment.«
    Er bremste ab. Sah mich nur aus den Augenwinkeln an.
    »Könnt ich Sie kurz sprechen?« Ich deutete zur Seite und ging schon
in die kleine Nebenstraße hinein. Wollte außer Sichtweite der Metzgerei mit ihm
reden. Blickte mich nach ihm um. Zögerlich folgte er. Wir blieben neben
Aschentonnen vor einem Zigarettenautomaten stehen.
    Was sollte ich jetzt sagen?
    »Herr Hecker, ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, aber ich
würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen.«
    Er sah mich feindlich an. Na toll.
    »Sie waren doch mit der Elvira Böhm … befreundet?«
    Er schwieg. Seine beinahe durchsichtigen Augen schauten mich
ausdruckslos an.
    »Oder?«
    »Na und!«, kam es undeutlich

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