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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zerbrechen. Glas zersplitterte.
    Seltsamerweise hatte sie immer noch keine Angst. Sie sollte sie
haben, ihr Fluchtversuch war gescheitert, und eine zweite Chance würde sie
nicht bekommen, aber sie empfand auch jetzt eigentlich nichts als eine
gewaltige Empörung darüber, dass es so enden sollte.
    Wieder wurde sie geschlagen. Nicht so fest wie gerade, dennoch aber
hart genug, um ihren Kopf gegen die Schranktür hinter ihr prallen und ihre
Unterlippe aufplatzen zu lassen. Der Blutgeschmack in ihrem Mund wurde stärker
und nahm eine vollkommen neue unbekannte Qualität an; er war widerlich und
metallisch und schürte die Übelkeit noch, die allmählich aus ihrem Magen
emporstieg, auf eine schwer in Worte zu fassende Weise zugleich aber auch fast … erregend; beinahe, als hätte er tief in ihr etwas
berührt, wie eine uralte, vertraute Erinnerung, die sie zugleich niemals gehabt
hatte.
    Â»Halt sie fest!«, kreischte eine Stimme. »Halt das Miststück fest!
Sie gehört mir! Ich will ihr das Herz herausreißen!«
    Conny blinzelte mit einer gewaltigen Willensanstrengung die roten
Schleier weg, die vor ihren Augen tanzten. Ihr Blick klärte sich, wenn auch
nicht sehr. Der Augenblick seltsamer Klarheit schien vorüber. Sie sah jetzt nur
noch Schatten und zuckende Lichtreflexe – und eine dreifingrige Klaue aus
scharf geschliffenem Eisen, die drohend auf ihr Gesicht gerichtet war. Ein
riesiger Umriss wuchs über ihr, rotes und gelbes Licht zuckte, und es stank so
durchdringend nach Rauch und brennendem Kunststoff, dass sie Mühe hatte zu
atmen. Die Eisenklaue näherte sich ihrem Gesicht weiter, tastete über ihre
Wange, ihre aufgesprungenen Lippen und das Kinn hinab und fuhr dann fast
zärtlich über ihren Hals, wobei sie genau die Umrisse der schrecklichen Wunde
nachzuzeichnen schien, die sie in Sylvias Kehle gesehen hatte. Sie versuchte
den Kopf zurückzuwerfen, knallte gegen das harte Holz einer Schranktür. Ihre
Hände tasteten verzweifelt nach irgendetwas, das sie als Waffe gebrauchen
konnte, doch sie fand nur glatte Buchrücken und leere Regalbretter.
    Â»Tu ihr nichts! Sie gehört mir!«
    Der Kerl, den sie gerade niedergeschlagen hatte, wuchs plötzlich mit
hassverzerrten Gesicht wieder vor ihr.
    Â»Sie gehört mir!«, wiederholte er. Gleichzeitig versetzte er dem
anderen einen Stoß, der ihn zur Seite torkeln ließ, grub die Finger der
unverletzten Hand in ihr Haar und schlug ihren Kopf zwei, drei Mal so hart
gegen die Schranktür, dass ihr vor Schmerz übel wurde.
    Â»Das ist sie!«, kreischte er. Seine Stimme hatte in Connys Ohren
kaum noch etwas Menschliches. Sie drohte vor Schmerz zu brechen, aber da war
zugleich auch ein so abgrundtiefer, bodenloser Hass, dass sich etwas in ihr vor
Entsetzen krümmte wie ein getretener Wurm. »Das ist das Miststück, das Hand an
den Meister gelegt hat! Dafür wirst du bezahlen! Hast du das verstanden?!«
    Als Conny nicht reagierte – wie hätte sie es auch können? –, schlug
er ihren Hinterkopf noch einmal mit solcher Gewalt gegen den Schrank, dass ihr
für einen Moment tatsächlich die Sinne zu schwinden drohten. »Hast du gehört?
Dafür reiße ich dir das Herz heraus! Bei lebendigem Leib! Aber vorher werden
wir noch ein bisschen Spaß miteinander haben!«
    Â»Wir müssen weg!«, warnte der andere. »In ein paar Minuten steht die
ganze Bude in Flammen!«
    Â»Ja, und zwar zusammen mit ihr«, kicherte sein Kumpan. »He – wenn
das nicht ein Wink des Schicksals ist! Such etwas, womit wir sie fesseln
können!«
    Der andere sah ihn einen Herzschlag lang unsicher an, drehte sich
aber dann gehorsam um und verschwand im Nebenzimmer, und der Kerl mit der
zerschossenen Hand schlug Connys Kopf noch einmal gegen die Schranktür; diesmal
aber ganz bewusst nicht hart genug, um ihr das Bewusstsein zu rauben.
Schwächlich versuchte sie sich zu wehren, ohne dass er ihren Widerstand jedoch
zu bemerken schien.
    Â»Hast Glück, Schätzchen«, höhnte er. »Ich reiße dir nicht das Herz
raus. Du wirst brennen. Genau das ist es doch, was man mit Hexen macht, oder?
Man verbrennt sie.«
    Â»Wer … wer sind … Sie?«, brachte Conny stockend hervor. »Was wollen Sie
von mir? Ich kenne Sie nicht einmal!«
    Â»Dafür kenne ich dich umso besser, Miststück!«, antwortete er. »Du
wolltest den Meister

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