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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Lagerhalle mit vergitterten kleinen Fenstern und einer
massiven Metalltür.
    Â»Ich wusste gar nicht, dass es hier eine Leichenhalle gibt«, sagte
sie, während sie ausstiegen und Trausch den Wagen abschloss, ohne das Blaulicht
ausgeschaltet zu haben. Als er vom Wagen zurücktrat, schien ihm sein Versäumnis
aufzufallen, und er machte eine Bewegung, wie um den Schlüssel noch einmal aus
der Tasche zu ziehen, deutete dann jedoch nur ein Schulterzucken an und kam mit
schnellen Schritten um den Wagen herum. »Die gibt es auf fast jedem größeren
Friedhof. Aber sie machen keine Reklame damit.«
    Conny wartete, bis er um den Wagen herum und an ihre Seite getreten
war, machte einen einzelnen Schritt und blieb dann noch einmal stehen, um die
Sonnenbrille und das alberne Kopftuch abzunehmen und beides in ihrer Handtasche
zu verstauen. Der Platz darin wurde allmählich eng.
    Â»Warten Sie«, sagte Trausch, als sie endgültig losgehen wollte.
    Â Â»Ja?«
    Trausch wirkte plötzlich unsicher. Er wich ihrem Blick aus. »Bevor
wir dort hineingehen … bereiten Sie sich auf eine Überraschung vor. Und keine
angenehme.«
    Â»Zum Beispiel?«
    Trausch wich ihrem Blick weiter aus und schüttelte den Kopf »Ich
hätte Ihnen nicht einmal das sagen dürfen. Aber reißen Sie sich zusammen,
okay?«
    Er ging los; sehr schnell und vermutlich, um ihr keine Gelegenheit
zu geben, noch eine weitere Frage zu stellen, und Conny folgte ihm verwirrt
(und ein bisschen wütend auf ihn).
    Sie musste sich nicht allzu lange fragen, worum es sich bei der unangenehmen Überraschung handeln mochte, vor der Trausch
sie gewarnt hatte: Sie wartete unmittelbar auf der anderen Seite der Tür auf
sie, und es war erst ein paar Stunden her, dass sie sich das letzte Mal gesehen
hatten.
    Â»Kollegin Feisst«, begrüßte sie Eichholz mit einem Lächeln, das
irgendwie das Gegenteil auszudrücken schien. Seltsamerweise wirkte er nicht im
Geringsten überrascht, sie zu sehen. Ganz im Gegenteil, wie ihr seine nächsten
Worte klarmachten. »Schön, dass Sie so schnell kommen konnten.« Er wandte sich
mit einem fragenden Blick an Trausch, der hinter ihr eingetreten und mit der
Hand auf der Türklinke stehen geblieben war; wie um sich einen Fluchtweg offen
zu halten. »Wo haben Sie sie gefunden?«
    Â»Zu Hause«, antwortete Trausch, bevor sie es tun konnte. »Sie
wollten doch, dass sie dort wartet.«
    Conny widersprach nicht, und Eichholz nickte nur flüchtig und
bedeutete ihr mit einem hektischen Wedeln mit beiden Händen, ihm zu folgen. Conny
warf Trausch einen verstohlen-fragenden Blick zu, den er geflissentlich
ignorierte.
    Conny hatte die Leichenhalle (deren Existenz sie immer noch ein
bisschen überraschte) zwar erst vor ein paar Minuten auf dem Fernsehschirm
gesehen, aber sie erkannte sie trotzdem kaum wieder. Der Raum war nicht nur
sehr viel größer, als sie angenommen hatte, sondern auch taghell erleuchtet,
und anders als auf der Aufnahme der Überwachungskamera war er jetzt alles
andere als leer, sondern platzte vor Menschen geradezu aus den Nähten.
Mindestens ein Dutzend Marsmenschen in weißen Weltraumanzügen (selbst ihre
Bewegungen kamen ihr sonderbar schwerelos vor, als wären die Naturgesetze in
ihrer unmittelbaren Umgebung irgendwie außer Kraft gesetzt) wuselte herum und
erweckte einen furchtbar beschäftigten Eindruck – obwohl sie eigentlich bei
keinem einzigen wirklich sagen konnte, was er tat –, und eine ganze Batterie
auf großen Dreibeinen aufgestellter Scheinwerfer verbreitete ein so grelles
Licht, dass es der plötzlichen Überempfindlichkeit ihrer Augen kaum noch
bedurft hätte, um in ihr den Wunsch zu wecken, die Sonnenbrille wieder
aufzusetzen.
    Darüber hinaus war es ein typischer Tatort, hektisch und zu hell,
wenn auch auf sonderbare Weise still, trotz der großen Anzahl von Menschen, die
sich hier drinnen drängten. Conny hatte selten einen Tatort betreten, an dem es
nicht so war, aber es war ihr auch bis heute nicht wirklich gelungen, diese
sonderbare Stimmung wirklich in Worte zu kleiden. Jedermann war beschäftigt und
tat seine Arbeit gewissenhaft und so gut und schnell er konnte, doch zugleich
auch mit einer Art von Respekt, die man nur hier und sonst nirgendwo fand;
etwas wie eine unausgesprochene nachträgliche Rücksichtnahme dem Opfer
gegenüber, gemischt mit einer ganz

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