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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Sie haben Sylvia vergessen.«
    Â»Ihre Freundin. Bitte verzeihen Sie. Ja. Aber das macht die Sache
eher noch komplizierter. Ich muss mich also Kollege Trauschs Auffassung
anschließen. Vermutlich galten beide Anschläge letzten Endes Ihnen. Und das
könnte bedeuten, dass es weitergeht. Wer immer diesen armen Jungen hier
umgebracht hat, wird weitermachen. Wir werden Sie aus der Schusslinie nehmen.
Und zwar am besten so, dass er es mitbekommt.«
    Â»Ich könnte sterben«, schlug Conny vor, und ihre Worte verursachten
ihr Gänsehaut.
    Â»Das wäre vielleicht eine etwas zu drastische Lösung«, antwortete
Eichholz ungerührt. »Mir persönlich würde es durchaus reichen, wenn Sie die
Stadt verlassen. Natürlich nur …«, er hob rasch die Hand, als sie auffahren wollte,
»… zum Schein, und nur so lange, bis wir wenigstens eine Ahnung haben, wer der
Kerl überhaupt ist. Wir könnten die Meldung lancieren, dass sie die Stadt
verlassen haben, um sich von den Verletzungen zu erholen, die Sie heute Morgen
davongetragen haben.« Er tat so, als wäre ihm etwas eingefallen. »Nebenbei: Wie
geht es Ihnen überhaupt?«
    Â»Ausgezeichnet«, antwortete Conny – was nicht unbedingt der Wahrheit
entsprach, weder körperlich noch psychisch. Eichholz gab sich jedoch mit dieser
Antwort zufrieden und sah sie auffordernd an. Als er endlich begriff, dass sie
nicht von sich aus weiterreden würde, seufzte er leise und machte ein
bedauerndes Gesicht, das ebenso schlecht gespielt war wie alles andere bisher.
    Â»Und so ganz nebenbei ist da ja auch noch Ihr geheimnisvoller
Schutzengel«, sagte er.
    Â»Ich habe nichts mehr von ihm gehört«, erwiderte Conny.
»Vielleicht war es wirklich nur ein Wichtigtuer, der sich aufspielen wollte.«
    Â»Oder jemand, der noch eine Rechnung mit Aisler offen hatte«, fügte
Trausch hinzu.
    Â»Oder vielleicht doch jemand, den Sie kennen, Frau Feisst?« Eichholz
hob abermals die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen, obwohl sie gar nichts
hatte sagen wollen. »Denken Sie noch einmal in aller Ruhe nach, Frau Feisst.
Wir haben mittlerweile vier Tote, und das in weniger als zwölf Stunden. Das ist
nicht mehr der Moment für persönliche Eitelkeiten oder Rücksichtnahme.« Seine
Stimme wurde leiser, was allerdings wohl nur dazu führte, dass jeder hier
drinnen noch mehr die Ohren spitzte, um auch jedes Wort zu verstehen. »Für den
Fall, dass es dann doch noch etwas oder jemanden gibt, woran Sie sich erst
jetzt erinnern, hätte ich jedes Verständnis. Schließlich haben Sie eine Menge
mitgemacht in den letzten Tagen. Ich kann Ihnen versichern, dass es keinerlei
negative Folgen für Sie hätte, wenn Sie sich erst jetzt dazu äußern.
Schließlich sind wir alle nur Menschen.«
    Etwas Seltsames geschah: Die Worte sollten sie wütend machen (und
sie taten es auch, allerdings auf eine sonderbar distanzierte Art, die sie
nicht wirklich berührte), aber sie hatte zugleich auch das verwirrende Gefühl,
dass sie vollkommen ehrlich gemeint waren. Dabei hatten die Worte ehrlich und Eichholz noch nie
zusammengepasst. Doch plötzlich war ihr, als … könne sie in ihn hineinsehen.
Nicht, dass sie tatsächlich glaubte, seine Gedanken lesen zu können oder
irgendetwas anderes, albernes in dieser Art, und dennoch spürte sie seine
Aufrichtigkeit. Konnte es sein, dass sie ihn die ganze Zeit über vollkommen
falsch eingeschätzt hatte?
    Unsinn! Conny rief sich in Gedanken scharf zur Ordnung. An dem Tag,
an dem sie anfing, Eichholz tatsächlich so etwas wie guten Willen zuzubilligen,
sollte sie zugleich anfangen, sich ernsthafte Sorgen um ihr Urteilsvermögen zu machen.
»Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß«, behauptete sie.
    Eichholz erwiderte nichts mehr, und sein Gesicht blieb weiter
vollkommen ausdruckslos, aber sie glaubte seine Enttäuschung zu spüren. Fünf
oder sechs endlose, unangenehme Sekunden lang sah er sie einfach nur
durchdringend an, dann seufzte er, und irgendetwas, das ihn unsichtbar zu
umgeben schien, veränderte sich. »Das ist bedauerlich. Es hätte es für alle
Beteiligten einfacher gemacht. Auch für Sie.«
    Allmählich begannen ihre eigenen Empfindungen Conny unheimlich zu
werden – aber sie konnte sich nicht dagegen erwehren, erneut die ehrliche
Absicht hinter diesen Worten zu spüren. Hätte sich etwas

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