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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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von
Kameraleuten, Fotografen oder auch einfach nur Neugierigen, die auf ihre Dächer
geklettert waren oder schneller auf die Friedhofsmauer zu steigen versuchten,
als die vollkommen überforderten Polizisten sie herunterpflücken konnten. Conny
vermutete, dass etliche von ihnen auch in den Bäumen saßen, um eine
sensationelle Aufnahme von einem zehn Jahre alten BMW zu schießen, der im Schritttempo über einen vollkommen menschenleeren Friedhof
fuhr.
    Â»Das mit den Tantiemen ist gar keine so schlechte Idee«, sinnierte
sie. »Wir könnten beide sehr reich werden … oder gibt es inzwischen eine
Abschlussprämie für diese Typen?«
    Â»Noch nicht. Aber ich werde es als Verbesserungsvorschlag
einreichen.« Trausch machte ein todernstes Gesicht, wobei es ihm jedoch nicht
ganz gelang, den Ausdruck von Sorge aus dem Blick zu verbannen, mit dem er sie
maß.
    Â»Alles wieder in Ordnung?«
    Â»Selbstverständlich«, antwortete Conny. »Und wieso wieder? Mir fehlt
nichts, und mir hat auch nichts gefehlt.«
    Â»Natürlich nicht. Sie sind nur weiß wie die Wand geworden, als Sie
das Video gesehen haben.«
    Â»Ich hatte einen schweren Tag«, erinnerte ihn Conny. »Und ich frage
mich die ganze Zeit, wie er das gemacht hat.«
    Â»Wie wer was gemacht hat?« Trausch kam endlich auf die Idee, ein
wenig schneller zu fahren, und lenkte den Wagen auf einen schmalen, mit sorgsam
ausgesuchtem weißen Kies bestreuten und von ordentlichen Gräberreihen
flankierten Weg, auf dem sonst wohl nur Friedhofsbesucher oder stumme
Trauerprozessionen entlanggingen. Der Anblick erinnerte sie an irgendetwas, aber
der Gedanke entschlüpfte ihr, bevor sie ihn richtig greifen konnte. Sie
beantwortete seine Frage mit einiger Verspätung. »Der Kerl auf dem Video. Woher
hat er die Maske von Aislers Gesicht?«
    Â»Sie glauben, es war eine Maske?«
    Â»Sie nicht?«
    Trausch zog es vor, ihre Frage nicht zu beantworten, und fuhr noch
ein wenig schneller, was trotzdem hieß, dass sich der Wagen nur mit der
Geschwindigkeit eines Fußgängers bewegte, der es nicht besonders eilig hatte.
Conny überlegte eine Sekunde lang ganz ernsthaft, ob sie einfach die Tür auf
seiner Seite aufstoßen und ihn aus dem Wagens schubsen sollte, entschied sich
dann aber dafür, lieber das Thema zu wechseln. »Wo ist diese Leichenhalle?«
    Trausch machte eine Kopfbewegung durch die Windschutzscheibe. »Genau
im Zentrum, direkt hinter der Kapelle und schön weit weg von der Mauer und
jeder Kamera.« Er schwieg einen Moment, bevor er in irgendwie resignierendem
Tonfall hinzufügte: »Nicht dass sie nicht schon vor uns da waren.«
    Â»Die Adresse auf der CD «, vermutete
Conny.
    Â»Ja. Wenn der Kerl überhaupt Spuren hinterlassen hat, haben sie sie
garantiert zertrampelt.« Er lachte leise. »Dafür haben wir so viele Tatortfotos
wie noch nie zuvor. Und spätestens morgen können wir sie sogar in der Zeitung
bewundern. Das nenne ich doch mal echte Öffentlichkeitsarbeit. Unsere Freunde
von der Presse wissen anscheinend, was sie uns schuldig sind.«
    Â»Vor einer Minute wollten Sie noch auf sie schießen«, erinnerte
Conny.
    Â»Das war Ihre Idee«, antwortete Trausch. »Ich wollte nur schnöden
Mammon von ihnen.«
    Sie hatten das Ende der kleinen Allee erreicht. Der BMW bog nach rechts ab, und die Illusion, sich an einem
friedlichen Ort zu befinden, erlosch. Vor ihnen erhob sich die Kapelle, von der
Trausch gesprochen hatte, aber auch eine ganze Flotte aus kreuz und quer
abgestellten Wagen: drei oder vier von Eichholz’ heiß geliebten schwarzen BMW (zwei davon mit zuckenden Blaulichtern auf dem Dach),
ein halbes Dutzend blausilberne Streifen und drei neutrale Kastenwagen, wie sie
die Leute von der Spurensicherung benutzten. Conny entdeckte auf Anhieb allein
ein gutes Dutzend uniformierter Beamter, mindestens ebenso viele Kollegen in
Zivil und zwei Männer in den weißen Astronautenanzügen der Tatortsicherung.
Nach dem, was Trausch ihr gerade erzählt hatte, mussten es echte Optimisten
sein. Trausch lenkte den Wagen nicht auf den ohnehin hoffnungslos ruinierten
Rasen vor der Kapelle, sondern in weitem Bogen um das Gebäude herum und auf
dessen Rückseite. Auch dort standen Wagen, wenn auch deutlich weniger, und die
Kapelle hatte auf dieser Seite eine Menge von ihrem pittoresken Charme verloren
und ähnelte eher einer

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