Unheil
sachten Spur von Furcht, als lieÃe das, was
an einem Ort wie diesem geschehen war, immer irgendetwas zurück, einen
unsichtbaren düsteren Schatten, der sich auf die Seelen aller legte, die ihm zu
nahe kamen. Vielleicht auch etwas wie Schuld; das stumme Eingeständnis, versagt
und nicht verhindert zu haben, was hier geschehen war. Nur, dass dieser
Schatten hier ungleich stärker war, eine Finsternis, die sich hinter dem
grellen Licht der Scheinwerfer verbarg â auf eine lauernde, fast gierige Art â
und es ihr fast schwer machte, zu atmen.
»Ich nehme an, Kollege Trausch hat Sie bereits informiert?«
Eichholzâ Stimme riss sie unsanft in die Wirklichkeit zurück.
»Eher das Fernsehen«, antwortete sie. »Aber ich weiÃ, was passiert
ist ⦠ungefähr. Jemand spielt Aislers Rolle.«
Eichholz und Trausch tauschten einen Blick, der ihr gar nicht
gefiel, aber Eichholz ging nicht auf ihre Antwort ein, sondern wiederholte nur
seine wedelnde Handbewegung, ihm zu folgen, und eilte einige weitere Schritte
voraus, ehe er sich ächzend und mit einem hörbaren Knacken seiner Gelenke in
die Hocke sinken lieà und sie mit einer erneuten Handbewegung aufforderte,
neben ihn zu treten. Die andere Hand streckte er nach dem weiÃen Tuch zu seinen
FüÃen aus und zog es mit einem Ruck beiseite.
Es war nicht der erste Tote, den Conny sah, und auch nicht
der am schlimmsten zugerichtete. Ganz im Gegenteil. Sein Gesicht war bleich und
wirkte überrascht und verwirrt, zugleich aber auch seltsam friedlich. Obwohl
sein Tod gewiss nicht schmerzlos und ganz bestimmt nicht schnell gewesen war, suchte sie vergeblich nach irgendeiner Spur von Furcht
oder gar Panik in seinen erloschenen Zügen. Trotzdem konnte sie ein
erschrockenes Zusammenzucken nicht ganz unterdrücken; so wenig wie das Gefühl,
plötzlich von einer unsichtbaren eisigen Hand umklammert zu werden.
Sie kannte den Toten.
Es war Tom, der Junge aus dem Trash .
»Eine nette Ãberraschung, nicht wahr?«, fragte Trausch hinter ihr.
Etwas an seinem Tonfall missfiel Conny, aber sie war viel zu schockiert, um
wirklich darüber nachzudenken. Ihr entgingen auch keineswegs die verstohlenen
Blicke, die Eichholz und Trausch miteinander tauschten, und noch sehr viel
weniger ihre Bedeutung, doch sie beachtete sie ebenso wenig, sondern lieà sich
neben Eichholz in die Hocke sinken und zwang sich, Toms blasses Gesicht noch
einmal und aufmerksamer zu betrachten, so schwer es ihr auch fiel.
Seine Halsschlagader war aufgerissen, was letztendlich dazu geführt
hatte, dass er verblutet war, doch es war kein sauberer, vergleichsweise
winziger Einstich, sondern eine ausgezackte, fingerlange Wunde; nicht die fast
schon chirurgische Präzision des Vampirs, eher das Werk eines Stümpers.
»Das war nicht Aisler«, stellte sie fest.
»Aisler ist ja auch tot«, antwortete Trausch. Eichholz sagte gar
nichts.
Conny schluckte die scharfe Antwort herunter, die ihr auf der Zunge
lag, lieà ihren Blick noch einmal aufmerksam über Toms Gesicht und Hals tasten
und hob dann seine Schultern an, um seine Hände zu betrachten, die noch immer
auf dem Rücken zusammengebunden waren. Seine Handgelenke waren mit einem weiÃen
Kabelbinder aus Plastik gefesselt, zwar so eng, dass die Blutzirkulation
unterbrochen und seine Finger blau angelaufen waren, aber die Haut war trotzdem
unversehrt.
»Er scheint sich nicht gewehrt zu haben«, sagte sie. »Jedenfalls hat
er keine Hautabschürfungen.«
»Und auch sonst keine sichtbaren Verletzungen«, fügte Eichholz
hinzu. »Abgesehen von seinem Hals.«
»Das bedeutet, er hat seinen Mörder wahrscheinlich gekannt«, sagte
Trausch nachdenklich. »Oder ihm zumindest vertraut.« Er seufzte tief. »Armer
Hund. Dabei war alles, was er wollte, ein bisschen Berühmtheit. Die berühmte
Viertelstunde.«
»Na ja, die bekommt er ja jetzt«, sagte Eichholz. »Sogar sehr viel
mehr. Auch wenn er sich die Sache vermutlich ein bisschen anders vorgestellt
hat.«
Conny warf ihm einen wütenden Blick zu, den Eichholz aber gar nicht
bemerkte; und wenn doch, so ignorierte er ihn kurzerhand. »Es gibt noch ein
paar interessante Details«, fuhr er im Plauderton fort. »Aber das können Sie
später alles in den offiziellen Berichten lesen ⦠und im Zweifelsfall im
Fernsehen mitverfolgen. Ihr Freund scheint ja einen guten Draht zu
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