Unheil
Sie wissen, was ich von
Alleingängen halte.«
»Und dass ich ihn gefunden habe«, versetzte Conny patzig. »Ohne
meinen Alleingang wäre das Mädchen jetzt tot.« Toll,
sie hatte die Zündschnur soeben auf die Hälfte zurückgeschnitten und dann neu
angezündet.
»Und das ist auch der einzige Grund, aus dem Sie jetzt noch hier
sitzen und nicht in einer Zelle im Untersuchungsgefängnis, Frau Feisst«, sagte
Eichholz eisig. »Und quasi als kleiner Ausgleich, um das Spiel ein bisschen
spannender zu machen, läuft dieser Irre jetzt mit Ihrer Dienstpistole irgendwo
dort drauÃen herum. Eine Waffe, mit der er um ein Haar drei weitere
Unbeteiligte erschossen hätte, nebenbei bemerkt. Verdammt noch mal, was ist in
Sie gefahren, Feisst? Gut, wie es aussieht, haben Sie tatsächlich den Richtigen
erwischt, aber wieso vergessen Sie dann von einer Sekunde auf die andere die
fundamentalsten Dinge? Observieren, unauffällig bleiben und auf Verstärkung
warten! Wer hat Ihnen beigebracht, sich wie eine Lara Croft für Arme zu gebärden?«
»Es war Gefahr im Verzug«, verteidigte sich Conny.
»Der zweite Grund, aus dem sie noch auf freiem Fuà sind, Frau
Feisst«, antwortete Eichholz ruhig, »zusammen mit der Tatsache, dass sich
Kommissar Trausch für Sie eingesetzt hat. Bedanken Sie sich bei ihm.«
Conny warf Trausch einen zweiten, überraschten Blick zu. Er nickte
beinahe unmerklich, und sogar mit der Andeutung eines Lächelns. Conny fragte
sich, ob es sich um einen bloÃen Zufall handelte oder sie mittlerweile
endgültig zu Frau Feisst und Kommissar Trausch geworden waren.
»Vielleicht sollten wir Kollegin Feisst jetzt erst einmal ein wenig
Ruhe gönnen«, sagte Trausch. »Es war ein langer Tag, für uns alle, und vor
allem für sie.«
Das grenzte an eine Palastrevolution, dachte Conny verblüfft; aber
Eichholzâ Reaktion war beinahe noch erstaunlicher. Er explodierte nicht einmal
jetzt, sondern legte nur flüchtig die Stirn in Falten.
»Das ist wahr«, seufzte er. »Es war für uns alle ein langer Tag.
Aber ich weise ausdrücklich darauf hin, dass die Angelegenheit damit nicht
erledigt ist. Ihr Verhalten wird möglicherweise Konsequenzen nach sich ziehen,
Frau Feisst.«
»Eine Beförderung?«, fragte Conny.
Sie spürte, wie Trausch die Augen verdrehte, und selbst Eichholz
fiel es nun sichtlich schwer, weiter ruhig zu bleiben. »Um es ganz klar zu
sagen, Frau Feisst â¦Â« Er hob die Hand und deutete einen Abstand von weniger als
einem Zentimeter zwischen Daumen und Zeigefinger an. »Sie sind so dicht an einer Suspendierung mit anschlieÃendem
Disziplinarverfahren vorbeigeschrammt, und ich behalte mir darüber hinaus vor,
Ihnen eine Abmahnung zu erteilen, die sich gewaschen hat. Aber das klären wir
später, wenn Sie zurück sind. In frühestens drei Tagen.«
»Bin ich also doch suspendiert?«, fragte Conny erschrocken.
Eichholz blinzelte. »Nein. Krankgeschrieben.« Er wirkte verblüfft.
»Hat Ihnen das niemand gesagt?«
Wahrscheinlich hatte das jemand, und genauso wahrscheinlich hatte
sie es gar nicht zur Kenntnis genommen oder wieder vergessen. »Das ist doch nur
ein Kratzer«, behauptete sie und zuckte demonstrativ mit der verletzten
Schulter. Der Schmerz trieb ihr beinahe die Tränen in die Augen, was
selbstverständlich weder Trausch noch Eichholz entging.
»Haben Sie in letzter Zeit einmal in den Spiegel gesehen?«, fragte
Eichholz ruhig.
Das hatte sie ganz bewusst vermieden, aber es war auch nicht
notwendig. Sie musste nicht einmal eine besonders ausgeprägte Phantasie haben,
um sich vorzustellen, wie ihr Gesicht aussah. Immerhin hatte sie einen heftigen
Schlag mit einem Pistolenknauf bekommen, und dass es der Lauf ihrer eigenen
Waffe gewesen war, machte es auch nicht wirklich besser. Ihre Wange glühte, und
ihre Oberlippe war angeschwollen und fühlte sich taub an. Eigentlich war es ein
kleines Wunder, dass sie problemlos sprechen konnte.
»Davon abgesehen dauert der Test drei Tage«, fuhr Eichholz fort, als
sie nicht antwortete, »und so lange will ich Sie im Büro nicht sehen.
Mindestens.«
»Welcher Test?«, fragte Conny alarmiert.
»Der AIDS -Test.« Eichholz stand auf.
»Was haben Sie gedacht â dass es reicht, zu duschen und sich gründlich zu
waschen?« Er brachte sie mit einer herrischen Geste zum
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