Unheil
Schweigen, noch bevor
sie überhaupt etwas sagen konnte. »Kommissar Trausch wird Sie nach Hause
bringen â oder in ein Hotel, wenn Sie es wünschen. Wir übernehmen die Kosten,
keine Sorge. Ich möchte Sie allerdings bitten, Ihr Zimmer oder Ihre Wohnung
nicht zu verlassen!«
»Stehe ich unter Arrest?«, fragte Conny spröde.
»Nur, wenn Sie mich dazu zwingen. Aber es wäre mir lieber, wenn Sie
sich daran erinnern, dass Sie nicht nur Polizeibeamtin sind, sondern im Moment
auch unsere wichtigste Zeugin, und es durchaus sein kann, dass wir Sie
brauchen.«
Er ging genauso, wie er gekommen war, schnell und ohne sie noch
eines einzigen Blickes zu würdigen oder etwas zu sagen. Trausch wartete, bis er
die Tür hinter sich geschlossen hatte und seine Schritte drauÃen auf dem Flur
verklangen, aber dann rang er sich zu einem plötzlichen, aufmunternden Lächeln
durch.
»Es war Ihnen klar, dass das kommen musste, oder?«, fragte er.
»Was? Seine herzliche Dankbarkeit, dass ich ein Menschenleben
gerettet habe ⦠und beinahe den Vampir erwischt hätte?«
»Seien Sie froh, dass es nur beinahe war,
Conny«, sagte Trausch, zwar mit ernstem Gesicht, ohne das spöttische Funkeln
jedoch ganz aus seinen Augen verdrängen zu können. »Hätten Sie ihn wirklich
erwischt, dann würde er Ihnen das nie verzeihen.«
»Aber ich habe ihn nicht erwischt«, sagte Conny bitter.
»Wir wissen jetzt, wie der Kerl aussieht, und wir haben eine
vernünftige Spur«, widersprach Trausch. »Wir werden ihn kriegen, keine Sorge. Und das wäre nicht so, ohne Sie.«
»Und deshalb faltet er mich zusammen?«
»Was haben Sie erwartet?« Trausch lachte leise. »Sehen Sie es
positiv: Er hat Ihnen vielleicht auf die Zehen getreten, aber Sie haben ihm spitze
Nadeln unter die Fingernägel getrieben. Und zwar unter alle Fingernägel. So was tut weh.« Er stand auf. »In einem Punkt hat er allerdings
recht: Es ist spät, und Sie müssen todmüde sein ⦠genau wie ich, nebenbei
bemerkt. Hotel oder Wohnung?«
»Haben Sie keine Angst, sich mit AIDS zu
infizieren, wenn Sie mich in Ihrem Wagen mitnehmen?«, fragte Conny.
Trausch machte sich nicht einmal die Mühe, darauf zu antworten.
Sie fuhren mit dem Aufzug direkt bis in die Tiefgarage
hinunter und stiegen in Trauschs Privatwagen, einen unauffälligen blauen 5er- BMW , der seine besten Tage schon lange hinter sich hatte,
statt in einen der viel PS -stärkeren schwarzen BMW s, die Eichholz als Einsatzflotte für seine SOKO requiriert hatte. Conny warf ihm einen fragenden
Blick zu, bekam aber keine irgendwie geartete Erklärung zur Antwort, sondern
nur ein fast erschrockenes Kopfschütteln, als sie auf den Beifahrersitz steigen
wollte.
»Nach hinten«, sagte er knapp. »Legen Sie sich auf den Boden. Auf
dem Sitz ist eine Decke. Decken Sie sich damit zu.«
»Warum?«, fragte Conny, ebenso misstrauisch wie verwirrt.
»Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich mich neben eine
ansteckende Pestbeule setze, oder?«, antwortete Trausch mit einem breiten
Grinsen, wurde aber praktisch sofort wieder ernst und schüttelte den Kopf. »Tun
Sieâs einfach. Ich sage Ihnen Bescheid, sobald Sie wieder hochkommen können.«
Conny sah ihn zwar noch eine oder zwei Sekunden lang verstört an,
doch dann gehorchte sie, krabbelte umständlich in den schmalen Fond des Wagens und
quetschte sich in den Spalt zwischen Sitze und Rückbank. Trausch wartete, bis
sie die Decke gefunden und sich darunter verkrochen hatte, bevor er den Motor
startete und losfuhr.
Sie hatte den Fehler gemacht, sich auf ihre verletzte Schulter zu
legen. Im ersten Moment war es nur unangenehm, aber wirklich nur im aller ersten Moment. Danach glaubte sie jedes Staubkorn zu
spüren, über das der Wagen rollte, und noch bevor sie das erbärmliche
Quietschen hörte, mit dem sich das Rolltor der Tiefgarage nach oben quälte,
begann ihr der Schmerz die Tränen in die Augen zu treiben. Instinktiv biss sie
die Zähne zusammen, wobei ihr der geschwollene Kiefer allerdings schnell
klarmachte, dass das vielleicht auch keine allzu gute Idee gewesen war.
Sie hörte, wie der Wagen auf die StraÃe hinausrollte und schon nach
ein paar Metern wieder zum Stehen kam. Trausch drückte zwei- oder dreimal kurz
und wütend auf die Hupe, und der Wagen rollte weiter, wenn auch nur, um
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