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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Telefon klingelte. Trausch ging hin, nahm das Gerät von der
Ladestation und schaltete es ab, ohne auch nur auf das Display gesehen zu
haben.
    Â»Finden Sie nicht, dass Sie es allmählich übertreiben?«, fragte
Conny.
    Â»Das war garantiert einer von ihren Freunden dort draußen auf dem
Flur«, antwortete Trausch achselzuckend. »Oder wer ruft Sie sonst nachts um
halb drei an?« Er griff in die Jackentasche und zog ein winziges schwarzes
Handy heraus, das er ihr reichte. »Benutzen Sie vorerst nur das. Die Nummer
kennen nur Eichholz und ich. Aber es ist ein Dienstapparat. Es wäre nett, wenn
Sie nicht stundenlang mit Ihrem Onkel in Kanada telefonieren würden.«
    Â»Ich habe keinen Onkel in Kanada.«
    Â»Oder wo auch immer.« Trausch unterdrückte ein Gähnen. »Schlafen Sie
sich erst mal gründlich aus. Ich komme morgen Nachmittag vorbei und bringe Sie
auf den neuesten Stand.«
    Er ging, ohne sich noch einmal zu verabschieden. Conny hörte seine
Stimme draußen im Gang noch einmal lauter werden, und nicht einmal dreißig
Sekunden später klingelte es. Sie ging zwar zur Tür, machte sich aber nicht
einmal die Mühe, durch den Spion zu schauen, sondern stellte sich lediglich auf
die Zehenspitzen, um die Klingel abzustellen. Wenn jetzt einer der Kerle auf
die Idee kam, so lange zu klopfen, bis sie öffnen würde, dachte sie grimmig,
dann würden sie ihre Aufnahmen von ihrer Lara Croft vom Rhein bekommen, wie sie
dem Kerl gerade den Arm auskugelte.
    Der Gedanke hatte etwas Tröstliches, obwohl sie selbst nicht sagen
konnte, warum.
    Conny amüsierte sich noch ein paar Sekunden an dieser albernen
Vorstellung, dann wandte sie sich um, ging ins Wohnzimmer zurück und schloss
die Zwischentür hinter sich, bevor sie behutsam ihren Arm aus der Schlinge nahm
und endlich die geliehene Jacke abstreifte; ein ebenso kleidsames wie
unauffälliges Stück, grellgrün mit einem reflektierenden weißen Aufdruck auf
dem Rücken: POLIZEI .
    Und sie wunderte sich, dass man sie erkannte?
    Wieder überkam sie ein so plötzlicher Schub bleierner Müdigkeit,
dass sie sich am liebsten sofort gegen die Wand gelehnt hätte, um im Stehen
einzuschlafen. Und warum eigentlich nicht? Sie hatte schließlich nichts vor,
und wenn bei dieser ganzen Geschichte überhaupt etwas Positives herausgekommen
war, dann drei Tage unerwarteter Sonderurlaub. Die Vorstellung, sich gründlich
auszuschlafen und einfach einmal eine Weile nichts zu tun, hatte etwas durchaus
Verlockendes … aber mehr auch nicht. Es war eine nette Idee, wenn es auch
natürlich vollkommen anders kommen würde. Da war immer noch dieser verfluchte
Test. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie infiziert worden war, war nicht
besonders groß … doch was zählten schon Wahrscheinlichkeiten, wenn Angst im Spiel
war? Noch gelang es ihr, sie einfach wegzuleugnen, aber sie war da, tief in
ihr. Die nächsten drei Tage würden lang werden.
    Plötzlich – vielleicht ausgelöst durch diesen Gedanken – fühlte sie
sich schmutzig. Sie hatte heute schon drei- oder viermal geduscht, und trotzdem
hatte sie plötzlich das Gefühl, am ganzen Leib besudelt zu sein. Die geliehenen
Kleider schienen an ihrer Haut zu kleben, und überall juckte es. Sie war noch
immer schrecklich müde, wusste allerdings auch, dass sie in diesem Zustand
sowieso keinen Schlaf finden würde. Und auf ein paar Minuten mehr oder weniger
kam es jetzt auch nicht mehr an.
    Aus den paar Minuten wurde nahezu eine halbe Stunde, in der sie
unter der Dusche gestanden und darauf gewartet hatte, dass das heiße Wasser
seine Wirkung tat. Es hatte nicht funktioniert. Statt sie müde zu machen, hatte
die Wärme sie vielmehr erfrischt, als hätte sie eine Eisschicht über einem
bisher unentdeckten Reservoir neuer Kräfte in ihrem Inneren weggeschmolzen. Sie
fühlte sich auf eine bizarre Art sowohl müde als auch energiegeladen, als sie
schließlich kapitulierte und unter der Dusche hervor ans Waschbecken trat.
    Der Spiegel war beschlagen und zeigte nur einen verschwommenen
hellen Fleck, wo ihr Gesicht sein sollte; vielleicht eine Warnung, die sie
besser beherzigte.
    Sie tat den Gedanken als so albern ab, wie er war, nahm all ihren
Mut zusammen und stellte sich dem Anblick, indem sie mit der flachen Hand
mehrmals über den Spiegel fuhr.
    Es war nicht so schlimm, wie sie erwartet hatte. Schlimm genug,

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