Unheil
zwanzig
Minuten, unten in der Tiefgarage. Sehen Sie zu, dass Sie diese Reporterbande
irgendwie loswerden.«
Er hängte ebenso abrupt ein, wie er das Gespräch begonnen hatte, und
lieà eine ziemlich hilflose Conny zurück, die das Handy noch gut fünf Sekunden
lang anstarrte, ehe sie es zuklappte und neben dem Aschenbecher auf den Tisch
legte. Sie hatten ihn? Was sollte das heiÃen? Noch
vor ein paar Stunden hatten sie nicht viel mehr als eine Phantomzeichnung und
eine ziemlich übel zugerichtete Kriminalkommissarin gehabt und die vage
Beschreibung eines Wagens, von dem es wahrscheinlich allein in dieser Stadt
zehntausend Stück gab. Und jetzt hatten sie ihn?
Gegen ihren Willen musste sie noch einmal an ihren verrückten Traum (Traum?) von vergangener Nacht denken. Was hatte Vlad
gesagt? Mach dir keine Sorgen. Ich kümmere mich darum.
Beinahe erschrocken verscheuchte sie den Gedanken und sah auf die
Uhr. Zwanzig Minuten, hatte Trausch gesagt. Das sollte reichen, um in die
Tiefgarage hinunterzukommen. Doch wie sollte sie die Journalisten loswerden,
die vermutlich noch immer drauÃen im Hausflur herumlungerten, und wenn nicht
das, dann garantiert vor dem Haus?
Eine dieser Fragen konnte sie sofort beantworten.
Sie trat nun doch auf den Balkon hinaus und sah nach unten. Vor dem
Haus standen noch immer einige Wagen; weniger als gestern Abend, aber sie waren
da. Eingedenk des kalten Zigarettenrauchs, der noch immer in der Luft hing,
lieà sie die Tür offen, durchquerte die Wohnung und war ziemlich erstaunt,
niemanden zu sehen, als sie durch den Spion lugte. Natürlich hatte das nicht
viel zu sagen; schlieÃlich überblickte sie nur einen schmalen Bereich
unmittelbar vor der Tür. Aber sie hatte eher damit gerechnet, direkt in eine
Kameralinse zu blicken, die einer dieser Hirnis von auÃen gegen den Spion
presste.
Sie verbrachte die nächsten zehn Minuten damit, ihren noch immer
viel zu heiÃen Kaffee auszutrinken und ihre Schubladen ein zweites Mal
gründlich zu durchwühlen, diesmal allerdings auf der Suche nach einer
Sonnenbrille. Als sie fertig war und eine â diesmal absichtlich â schwarze
Windjacke überstreifte, auf deren Taschen sie den Inhalt des Plastikbeutels
verteilte, blieben ihr noch knappe zehn Minuten, um in die Tiefgarage
hinunterzufahren. Sie hatte immer noch keine Ahnung, wie sie die Journalisten
austricksen sollte. Sie würde wohl improvisieren müssen.
Vielleicht aber auch nicht. Der Hausflur war leer, als sie das
Appartement verlieÃ. In einer Ecke hatte jemand einen Aschenbecher aus einer
leeren Zigarettenschachtel improvisiert, und sie entdeckte eine Papiertüte mit
dem Aufdruck von McDonaldâs, die mit leeren Kaffeebechern, verschmutzten
Servietten und anderen Essensresten gefüllt war (der Hausmeister würde sich
freuen), aber von den Journalisten selbst war nichts mehr zu sehen, was ihr
einigermaÃen seltsam vorkam, nachdem sie sie schlieÃlich die halbe Nacht lang
belagert hatten.
Die Erklärung fiel ihr ein, noch bevor sie den Aufzug erreichte und
den Knopf für die Tiefgarage drückte: Sie hatten eine lohnendere Story
gefunden. Trausch würde sich freuen, wenn die Journalistenmeute, die sie
eigentlich abschütteln sollte, an ihrem Ziel schon auf sie wartete. Aber ihr
Mitleid hielt sich in Grenzen.
Viel früher, als sie erwartet hatte, kam sie in der Tiefgarage an,
die nicht nur verlassen, sondern auch nahezu leer war, und selbstverständlich
kam Trausch nicht wie besprochen nach zwanzig, sondern gut dreiÃig Minuten,
sodass sie nahezu eine Viertelstunde auf ihn warten musste â eine schiere
Ewigkeit, in der sie reichlich Zeit hatte, sich mit ihren eigenen Gedanken zu
beschäftigen, die immer wieder in eine Richtung abschweifen wollten, die ihr
gar nicht behagte. Sie wurde die Erinnerung an ihren verrückten Traum einfach
nicht los. Ganz egal, wie viele unwiderlegbare Argumente sie auch dafür fand,
dass es ein Traum und sonst nichts gewesen war, da war etwas in ihr, das
hartnäckig auf dem Gegenteil beharrte. Vlad war ⦠so realistisch gewesen, trotz
seiner lächerlichen Erscheinung und der vollkommen unmöglichen Art, in der er
vermeintlich aufgetaucht und wieder verschwunden war. Sie hatte seine Nähe gespürt, auch ganz körperlich, und irgendwie glaubte sie
das immer noch zu tun, als hätte er etwas zurückgelassen, wie einen düsteren
Hauch, der die Luft
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