Unheil
ringsum verpestete und ihr das Atmen schwer machte.
Es kostete sie enorme Anstrengung, den Gedanken abzuschütteln, aber
irgendetwas in ihr musste es wohl darauf angelegt haben, sie zu quälen, denn
nun zerbrach sie sich den Kopf über Trauschs geheimnisvollen Anruf und dessen
Bedeutung.
Sie fand eine Menge Erklärungen, von denen eine unbefriedigender als
die andere war, und schlieÃlich tat sie das Einzige, was ihr übrig blieb: Sie
fasste sich in Geduld.
Endlich hörte sie das charakteristische Rattern, mit dem sich das
Gittertor zusammenrollte, machte zwei rasche Schritte in die entsprechende
Richtung und blieb dann stirnrunzelnd wieder stehen. Während das Brummen eines
schweren Motors näher kam, zog sie ihren Schlüsselbund aus der Tasche und fächerte
ihn auf. Ihr Blick verdüsterte sich.
Ein schwarzer BMW mit der typischen
Haifischflosse einer Satellitenempfangsanlage auf dem Dach näherte sich,
beschrieb auf kreischenden Reifen einen Dreiviertelkreis und kam unmittelbar
neben ihr zum Stehen. Eine der beiden hinteren Türen flog auf, und Trausch
winkte sie ungeduldig heran. Conny gehorchte, behielt aber den Schlüsselbund
demonstrativ in der Hand und sah ihn gleichermaÃen fragend wie vorwurfsvoll an.
»Sind Sie okay?«, fragte er.
»Darf ich fragen, wie Sie hereingekommen sind?«, gab sie zurück,
ohne auf seine Worte zu achten.
Trausch lächelte müde. Er wirkte im Allgemeinen müde, fand sie. Sein
Gesicht hatte einen wächsernen grauen Schimmer, und sein Blick flackerte
unstet; irgendwie gelang es ihm nicht, ihn länger als einen Sekundenbruchteil
auf einen bestimmten Punkt zu konzentrieren. Conny war ziemlich sicher, dass er
seit ihrem letzten Zusammentreffen keine Sekunde geschlafen hatte. Trotzdem
grinste er wie ein zu groà geratener Schuljunge, dem ein besonders raffinierter
Streich gelungen war, während er ihr einen einzelnen Schlüssel reichte. »Ich
dachte mir, so geht es vielleicht schneller. Im Moment haben Sie ja sowieso
keinen Wagen.«
Conny sparte sich jeden Kommentar dazu und befestigte den Schlüssel
wieder an ihrem Bund. Sie hatte nicht einmal bemerkt, wie er ihn abgemacht
hatte. »Sie haben ihn? Was genau soll das heiÃen?«
»So gut wie«, antwortete Trausch. »Das SEK ist schon unterwegs. Mit ein bisschen Glück, und wenn â¦Â« Er unterbrach sich, sah
sie seltsam an und griff umständlich in die Jackentasche, um einen mehrfach
zusammengefalteten Zettel hervorzuziehen, den er ihr kommentarlos reichte. Der
Wagen schnurrte die Auffahrt hinauf, und sie wartete, bis sie im Freien waren,
um die winzige Schrift besser entziffern zu können. Dann sah sie Trausch
überrascht an.
»Das ist â¦Â«
»Eine E -Mail von Ihrem geheimnisvollen
Freund«, fiel ihr Trausch ins Wort. »Sie ist vor einer guten Stunde gekommen.«
Conny sah noch einmal auf das Blatt hinab, während sie zugleich
beiläufig registrierte, wie der Wagen einen plötzlichen Satz machte und dann so
stark beschleunigte, dass sie beide in die Sitze gedrückt wurden. Hinter ihm
brach hektische Aktivität aus, als Gestalten zu ihren Wagen hetzten und Motoren
angelassen wurden, aber sie hatten keine Chance. Bei dem Tempo, das der Wagen
jetzt schon hatte, mussten sie verschwunden sein, bevor die Kerle auch nur
gewendet hatten. Sie las den Text ein zweites und auch noch ein drittes Mal,
ohne wirklich schlauer daraus zu werden ⦠aber ihre Stimmung sank bei jedem Mal
weiter.
Das Blatt enthielt nur einen einzigen Satz: Wenn du es
noch einmal versuchen willst, geh in die Fledermaushöhle , gefolgt
von einer ellenlangen Buchstaben- und Zahlenkombination.
»Was ist das?«, fragte sie spröde.
»Das sind GPS -Koordinaten«, antwortete
Trausch. »Im Norden, ganz in der Nähe von â¦Â«
»Das meine ich nicht.« Conny tippte ärgerlich auf die Kopfzeile der
Nachricht. »Das ist meine E -Mail-Adresse.«
»Ich weië, antwortete Trausch.
»Meine private E -Mail-Adresse«,
fügte sie anklagend hinzu. »Seit wann lesen Sie meine privaten E -Mails? Und wer zum Teufel liest noch meine Post? Das
ganze Präsidium?«
Trausch blickte kurz erschrocken nach vorne, aber der Fahrer war
offensichtlich voll und ganz damit beschäftigt, den Wagen mit dem Doppelten der
zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den dichter werdenden Verkehr zu jagen.
Bis jetzt hatte er
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