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Unheil

Unheil

Titel: Unheil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nicht die geringste
Lust, mit ihm darüber zu reden.
    Â»Oh, ich bin nicht in Sorge um dich«, antwortete Vlad amüsiert.
»Ganz im Gegenteil. Aber ich kann nicht zulassen, dass du etwas Dummes tust.«
    Â»Wie ihn zu verhaften?«
    Â»Oder ihn zu töten und dir damit eine Menge Probleme einzuhandeln«,
sagte Vlad ruhig. »Das läge nicht in meinem Interesse.«
    Â»Was? Dass ich ihn töte oder dass ich in Schwierigkeiten gerate?«
    Vlad lächelte dünn. »Vielleicht beides?« Er stand auf. »Mach dir
keine Sorgen. Ich kümmere mich darum.«
    Â»Und genau das kann ich nicht zulassen«, erwiderte Conny lahm. »Sie
finden sich ganz schnell gleich neben Ihrem Freund sehr weit oben auf der
Wunschliste meiner Kollegen, wenn Sie hier eine Selbstjustiznummer abziehen.«
Falls er nicht sowieso dorthin gehörte. Oder falls es ihn überhaupt gab. Die
Situation kam ihr immer unwirklicher vor. Auf eine groteske Art erschreckend,
die sie von Sekunde zu Sekunde mehr verunsicherte. Sie war so etwas nicht von
sich gewohnt.
    Â»Du solltest tun, was dein Kollege dir geraten hat, und dich
gründlich ausruhen«, sagte Vlad, ohne auf ihre Worte einzugehen. »Und mach dir
keine Sorgen. Das Blut dessen, den ihr den Vampir nennt, ist rein.«
    Gut, jetzt war sie sicher, zu träumen. Das konnte er nicht wissen, wenn er nicht die ganze Zeit unsichtbar dabei gewesen
war und gelauscht hatte. Auch diese Vorstellung war beunruhigend, aber wenn
ihre Phantasie sie schon mit solchen Albernheiten heimsuchte, konnte sie das
Spielchen genauso gut auch mitmachen.
    Â»Und was ist jetzt mit dem versprochenen Gefallen?«, fragte sie.
»Verlangen Sie einen Teil meiner Seele, oder reicht Ihnen ein Pfund Fleisch, an
einer beliebigen Stelle aus meinem Körper herauszuschneiden?«
    Â»So dramatisch wird es nicht«, antwortete er. »Du wirst sehen, ich
bin ein bescheidener Mensch. Aber nun wird es Zeit für mich, zu gehen. Sosehr
ich deine Gesellschaft auch genieße.«
    Â»Tun Sie das?«
    Â»Mehr, als du dir vorstellen kannst«, erwiderte Vlad. »Man trifft
heutzutage leider nur noch sehr wenige kultivierte Menschen.«
    Aber dafür umso interessantere Gespenster, dachte Conny amüsiert.
Wenigstens im Traum. Sie sagte nichts mehr, sondern nahm einen weiteren Zug aus
ihrer Zigarette. Sie schmeckte widerwärtig.

Kapitel 3
    Sie erwachte
am nächsten Morgen mit dröhnendem Kopf, einem heftigen, stechenden Schmerz
unter dem rechten Auge und einem noch scheußlicheren Geschmack auf der Zunge,
und ihre Laune besserte sich auch nicht unbedingt, als sie die Vorhänge aufzog
und feststellte, dass der Morgen schon lange kein Morgen mehr war. Der Tag war
merkwürdig trüb, aber die Sonne stand fast im Zenit; vielleicht hatte sie ihn
auch schon ein Stück überschritten, so genau hatte sie das mit den
Himmelsrichtungen nie begriffen.
    Ganz offenbar war sie Trauschs Rat gefolgt und hatte sich gründlich
ausgeschlafen, fühlte sich jedoch nicht erfrischt,
sondern ganz im Gegenteil so müde, als hätte sie kein Auge zugemacht. Aber das
war nach einem Tag wie gestern vermutlich normal.
    Sie fragte sich, ob die Belagerung noch immer aufrechterhalten
wurde, und setzte dazu an, die Tür zu öffnen und auf den winzigen Balkon
hinauszutreten, doch dann fiel ihr im letzten Moment das Wort Teleobjektiv ein. Das fehlte noch: ein Foto auf dem
nächsten Abendblatt, das sie in einem zerknautschten Bademantel, mit
verwüsteter Frisur und noch zerknautschterem Gesicht auf dem Balkon zeigte, am
besten noch mit der genauen Uhrzeit.
    Stattdessen tappte sie benommen in die Küche, füllte mit zitternden
Fingern mehr als umständlich die Kaffeemaschine und tappte kaum weniger
schlaftrunken ins Bad. Einige Hände voll kalten Wassers, die sie sich ins
Gesicht schaufelte, vertrieben die Benommenheit wenigstens halbwegs, und
nachdem sie sich zweimal hintereinander die Zähne geputzt hatte, verschwand
auch der widerwärtige Geschmack aus ihrem Mund.
    Erst danach wagte sie es, sich dem Anblick ihres Spiegelbilds zu
stellen.
    Sie war überrascht. Ihr Gesicht hatte gestern keinen besonders
erbaulichen Anblick geboten, aber sie hatte genug (gottlob keine eigene)
Erfahrung mit so etwas, um zu wissen, dass es eigentlich jetzt schlimmer sein
sollte. Das war es jedoch nicht. Aus dem Blauviolett des Blutergusses war
inzwischen tatsächlich ein sattes Schwarz

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