Unheil
schon aufgelöst,
und er kann Ihnen gar nichts mehr. Wahrscheinlich«, fügte er mit einem
gequälten Grinsen hinzu, »hat er bis dahin längst einen anderen gefunden, auf
dem er rumhacken kann.«
»Sie zum Beispiel?«, fragte Conny.
»Wenn sich sonst niemand findet.« Trausch lächelte noch
unglücklicher und rang sichtlich nach Worten; irgendetwas Unverfänglichem oder
womöglich sogar Witzigem.
Anscheinend fiel ihm nichts ein, denn er stand plötzlich auf. »Ich
muss jetzt gehen, fürchte ich, sonst muss unser geliebter Chef nicht lange nach
einem neuen FuÃabstreifer suchen. Ich komme morgen früh wieder, wenn sie sich
ein wenig erholt haben. Bis dahin wird Sie niemand belästigen, das verspreche
ich. Soll ich Ihnen irgendetwas mitbringen?«
Conny schüttelte den Kopf.
»Vielleicht ein paar Bücher?«, schlug Trausch vor. »Sie wissen schon â die Dinger mit den vielen Seiten und den kleinen schwarzen Buchstaben. In
manchen sind Bilder.«
»Ich erinnere mich schwach«, sagte Conny. »Ich glaube, ich habe bei
Eichholz mal so etwas gesehen.«
»Das war garantiert die Dienstvorschrift, auch wenn es mich wundert ⦠ich
hätte geschworen, dass er sie auswendig kennt.« Er lächelte verkniffen über
seinen eigenen lahmen Scherz und trat unbeholfen von einem Fuà auf den anderen.
Er wollte nicht gehen, begriff Conny. Warum auch immer.
»Alles, nur keinen Vampir-Roman«, meinte sie. »Danach ist mir im
Moment nicht.«
Trausch lachte genauso unecht wie zuvor und wirkte nur noch
hilfloser, und plötzlich wünschte sich Conny nichts mehr, als dass er sich über
sie beugen und sie in die Arme schlieÃen würde.
Der Gedanke erlosch so schnell, wie er gekommen war, und sie
verspürte eine Mischung aus schlechtem Gewissen und hoffnungsloser Verwirrung.
Sie war beinahe froh, als er mit einer linkisch wirkenden Bewegung zurücktrat
und schlieÃlich ging, ohne noch mehr als einen undeutlichen AbschiedsgruÃ
gemurmelt zu haben. Er verschwand so schnell, dass es ihr schon beinahe wie
eine Flucht vorkam.
Das Zimmer schien irgendwie dunkler zu werden, nachdem er gegangen
war. Und kälter.
Sie hatte eine sehr unruhige Nacht hinter sich, in der sie
geplagt von Albträumen und Fieber mehrmals aufgewacht war. Vage meinte sie sich
zu erinnern, mindestens einmal eine Gestalt in einem weiÃen Kittel gesehen zu
haben, die eine Injektionsspritze in den Schlauch stach, der von dem
verchromten Gestell zu dem Zugang in ihrem Handrücken führte, aber sie war ganz
und gar nicht sicher, dass diese Erinnerung auch echt war. Genauso verschwommen
erinnerte sie sich an eine riesige Gestalt mit rauchigen Fledermausflügeln und
bösen Augen, die neben ihrem Bett gestanden und sie angestarrt hatte.
Sie wurde vor sechs geweckt, als die Frühschicht kam, um das Bett zu
machen (was ernsthafte Mordgedanken in ihr wachrief), und fand danach keinen
richtigen Schlaf mehr. Aber kaum eine Stunde später begann die alltägliche
Routine des Krankenhauses, die ihr erstaunlicherweise half, einfach
abzuschalten und sich irgendwie durch den Vormittag treiben zu lassen:
Frühstück, alle zehn oder zwanzig Minuten der Besuch einer Schwester, um zu
fragen, ob alles in Ordnung sei (und prinzipiell natürlich immer dann, wenn sie
gerade kurz davor war, endlich einzuschlafen), und zwischendurch die Visite des
Arztes. Er war zwar nicht so jung, wie Trausch es prophezeit hatte, aber er
behandelte sie mit einer Mischung aus Zuvorkommenheit und Respekt, die fast an
Ehrerbietung grenzte. Sein Benehmen schmeichelte ihr ebenso, wie es ihr
unangenehm war. Sie schob es darauf, dass sie tatsächlich so etwas wie eine
Berühmtheit war. Immerhin hatte er gute Neuigkeiten: Anders als Trausch
behauptete, legte er sich sehr wohl auf eine genaue Vorhersage fest, nämlich
auf die, dass ihr Handgelenk vollkommen genesen würde, wenn sie sich nach
seinen Anweisungen richtete, und bevor er sie verlieÃ, drehte er sich noch
einmal um und erklärte ihr augenzwinkernd, er hätte noch eine ganz besondere Ãberraschung für sie. Jemand von ganz oben (wie er es ausdrückte) hatte anscheinend Druck
gemacht, und ihr HIV -Test war bereits zurück. Das
Ergebnis war negativ.
Die Nachricht hätte sie erleichtern müssen, aber der Stein, der ihr
vom Herzen fiel, hatte allerhöchstens die GröÃe eines Sandkornes. Der
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