Unheil
»Meine Mutter kann keinen von
meinen Freunden leiden.«
»Von deinen neuen Freunden«, sagte Conny
betont.
Das war die falsche Taktik, das begriff sie schon, bevor sie die
Worte ganz ausgesprochen hatte. Das Misstrauen kehrte nicht nur in Tessâ Augen
zurück, es explodierte regelrecht. »Was soll diese
Frage?«
»Oh, nichts«, antwortete Conny hastig. »Ich will nur Konversation
machen, das ist alles. Deine Mutter hat mir erzählt, dass du vor zwei Jahren
deinen gesamten Freundeskreis ⦠wie soll ich sagen?⦠ausgetauscht hast?«
Und das war die noch falschere Taktik. Tessâ Gesicht erstarrte
endgültig zur Ausdruckslosigkeit. »Freunde, wie? Ich verstehe. Einmal Bulle,
immer Bulle.«
»Aber so war das nicht gemeint«, versicherte Conny hastig. »Ich
wollte doch nur â¦Â«
»Wenn das hier ein Verhör werden soll, dann besorg dir einen
Haftbefehl und bestell mich ins Präsidium.«
»Aber ich wollte doch wirklich â¦Â«
»Ich bin jetzt müde«, fiel ihr Tess abermals ins Wort. »Ich will
schlafen.«
Conny zerbrach sich den Kopf über irgendetwas, was sie sagen konnte,
um die Situation vielleicht doch noch zu retten, aber alles, was ihr einfiel,
hätte sie schlimmer gemacht. SchlieÃlich gab sie auf und ging ohne ein weiteres
Wort hinaus.
Kapitel 5
Trausch hatte
sie an diesem Tag nicht noch einmal besucht, wie sie insgeheim gehofft (und ein
bisschen auch gefürchtet) hatte. Er kam am nächsten Morgen pünktlich zum
Frühstück, mit einer groÃen Papiertüte von McDonaldâs bewaffnet, der ein
verlockender Duft entstieg.
»Tja, das sieht ja so aus, als wäre ich gerade noch im letzten
Moment gekommen«, sagte er grinsend. Conny war nicht ganz sicher, ob die Worte
der Krankenschwester galten (deren mürrischer Gesichtsausdruck entweder noch
von gestern übrig geblieben war oder aus ihrem letzten ZusammenstoÃ
resultierte, als sie versucht hatte, sie um kurz vor halb sechs zu wecken, um
das Bett zu machen) oder dem Frühstück selbst: eine Scheibe trockenes Brot, das
sich an den Kanten bereits wellte, Diätmargarine, eine Scheibe mindestens
genauso trockenen Käses und eine Tasse mit undefinierbarem Inhalt. Die
Krankenhausküche behauptete, es wäre Kaffee, doch Conny argwöhnte, dass die
Schwester ihn auf dem Weg hierher gegen etwas ausgetauscht hatte, das
eigentlich in einen luftdicht versiegelten Behälter mit einem schwarz-gelben
Aufkleber gehörte.
»Ich wusste, dass Sie mir eines Tages das Leben retten würden«,
sagte Conny.
»Dazu sind Kollegen doch schlieÃlich da, oder?« Trausch raschelte
mit seiner Tüte, kam näher, und die Krankenschwester machte ein noch
mürrischeres Gesicht.
»Das ist hier eigentlich nicht â¦Â«, begann sie, aber Trausch lieà sie
nicht einmal zu Ende reden.
»Polizeiliche Anordnung«, sagte er ernst. »Es gefällt mir selbst
nicht, das können Sie mir glauben. Aber was soll ich machen? Die Anordnung kam
vom Polizeipräsidenten persönlich.«
Der Gesichtsausdruck der Schwester verfinsterte sich noch mehr. Sie
schluckte die bissige Antwort herunter, die ihr sichtlich auf der Zunge lag,
bedachte ihn nur mit einem vernichtenden Blick und schob klappernd ihr
Wägelchen hinaus.
Trausch sah ihr nach, bis sie die Tür mit einem Knall hinter sich
zugezogen hatte, und wandte sich dann mit einem fragenden Blick an Conny. »Gibt
es da etwas, was ich wissen sollte? Ich meine: Brauchen Sie Polizeischutz?«
»Nein«, sagte Conny. »Aber Oberschwester Drachenzahn vielleicht,
wenn Sie mich noch einmal um vier Uhr morgens weckt, um das Kopfkissen
aufzuschütteln.« Sie streckte die unversehrte Hand aus. »Und jetzt geben Sie das
her, bevor ich selbst zum Vampir werde!«
Trausch tat nichts dergleichen, sondern begann die Papiertüte im
Gegenteil mit provozierend langsamen Bewegungen aufzufalten, spähte mit einem
Auge hinein und zog genieÃerisch die Luft durch die Nase. »Das duftet wirklich
verlockend. Was bekomme ich, wenn ich es Ihnen gebe?«
»Fragen Sie lieber, was Sie bekommen, wenn Sie es nicht tun.« Conny
streckte blitzschnell den Arm aus und riss ihm die Tüte aus der Hand. Der
Ãberwachungsmonitor hinter ihr piepste protestierend, als sie die Kabel dabei
bis zum ZerreiÃen spannte, und sie wäre um ein Haar aus dem Bett gefallen, aber
die Beute
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